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Automatisiertes Fahren: Chance für nachhaltige Mobilität oder „same same but different“

Torsten Fleischer (l.) und Jens Schippl (r.), Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Den letzten Ringvorlesungsvortrag dieses Semesters hielten am 10. Januar 2019 Torsten Fleischer und Jens Schippl vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Institut für Technologie (KIT). In ihrem Vortrag gaben sie dem Publikum einen Einblick in das Thema „Automatisiertes Fahren“ sowie die Forschungsfragen, die sich rund um das Thema ergeben und am ITAS untersucht werden.

Torsten Fleischer erläuterte den Zuhörern zunächst kurz was Technikfolgenabschätzung ist und womit sie sich befasst. Technikfolgenabschätzung soll dazu beitragen frühzeitig Probleme und offene Fragen zu beantworten, die im Zusammenhang mit Technik und technologischem Wandel entstehen. Das ITAS stellt u. a. Orientierungswissen zur zukünftigen Gestaltung sozio-technischer Systeme bereit. Herr Fleischer verglich Technikfolgenabschätzung anschaulich mit einer Kombination aus Wachhund, Spürhund und Versuchskaninchen.

Automatisiertes Fahren ist Teil eines komplexen sozio-technischen Systems, in dem technische und soziale Systeme in vielfältiger, sich ständig ändernder Form miteinander interagieren, seine Folgen werden daher ebenfalls am ITAS untersucht.

Zu Beginn des eigentlichen Vortrags gab Herr Fleischer einen Überblick über die aktuell im Einsatz befindlichen Versuchsfahrzeuge. Er wies daraufhin, dass Automatisiertes Fahren bei weitem keine neue Idee ist, sondern erste Versuche bereits in den 1950er und 1980er Jahren unternommen wurden. Im Gegensatz zu heute waren die notwendigen Technologien damals allerdings nicht vorhanden.

Beim Automatisierten Fahren wird mithilfe von Automatisierung in Form von u. a. Lidar, Kameras und Radar ein Bild der Verkehrsumgebung erstellt. Aufbauend auf dieser maschinellen Wahrnehmung müssen ein Situationsverständnis, eine Handlungsplanung und schließlich eine Bahnführung erfolgen.

Fahrzeugautomatisierung wird in vier Stufen unterteilt: teilautomatisiert, hochautomatisiert, vollautomatisiert und fahrerlos.

Bei den Stufen hochautomatisiert und vollautomatisiert gestaltet sich insbesondere die Übergabe zwischen Fahrer und Fahrzeug bzw. zwischen Fahrzeug und Fahrer problematisch. So müssen hier Übergabe- und Übernahmestrategien entwickelt werden. Ironischer Weise kommt der Fahrer bei diesen Stufen immer weniger zum Einsatz, muss im Falle eines Einsatzes aber immer seltene komplexe Aufgaben übernehmen, denen er u. U. nicht mehr gewachsen ist. Es kann sogar zu einem Verlust der Fähigkeit zur Fahrzeugsteuerung kommen.

Automatisiertes Fahren steht sowohl vor technischen Herausforderungen als auch Herausforderungen durch die Interaktion mit sozialen Systemen. Technikseitig sind schwer zu erkennende Objekte, schwierige Wetter- und Straßenbedingungen, Datenmanagement sowie Energiebedarf zu nennen. Im Zusammenhang mit dem sozialen System ergeben sich die Interpretation nicht normkonformer Verhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer sowie die Qualität und Differenziertheit der Klassifizierung von Umfeldinformationen (z. B. Alter der Verkehrsteilnehmer) als Herausforderung.

Darüber hinaus ergibt sich die Frage wie ein Fahrzeug entscheiden soll, wenn sich ein Personenschaden nicht vermeiden lässt und in welchem Umfang die Gesellschaft bereit ist die Grenzen der Leistungsfähigkeit zu akzeptieren.

Im zweiten Teil des Vortrags sprach Jens Schippl über die Auswirkungen von Automatisiertem Fahren. Durch Automatisiertes Fahren sind Reisezeitgewinne, „neue“ Verkehrsteilnehmer, Kostensenkungen und Kapazitätserhöhungen zu erwarten. So würde beispielsweise die Straße im Güterverkehr gegenüber der Schiene an Attraktivität gewinnen, in Parkhäusern könnten auf der gleichen Fläche 60 % mehr Fahrzeuge abgestellt werden und auch ein Umzug aufs Land könnte attraktiver werden.

Herr Schippl stellte dem Publikum zwei mögliche Szenarien zur Zukunft des Automatisierten Fahrens vor, die auf zwei Beobachtungen basieren. Einerseits lässt sich beobachten, dass insbesondere junge Menschen in städtischen Gebieten weniger Wert auf einen eigenen PWK legen und Sharing-Konzepte favorisieren. Andererseits gibt es immer noch viele autodominierte städtische Verkehrssysteme, 40 Millionen privat genutzte Autos und ca. 25 % der Neuzulassungen sind SUVs. Basierend auf diesen Beobachtungen lässt sich ein Szenario ableiten, in dem Teilen und Intermodalität dominieren und ein Szenario, in dem private und individuelle Mobilität vorherrscht.

Abschließend fasste Herr Schippl zusammen, dass Automatisiertes Fahren früher oder später kommen wird, über enorme Änderungspotenziale verfügt und Risiken aber auch Chancen zur Gestaltung des Mobilitätsystems birgt.