Wie viel Kreislauf steckt im Plastik? Möglichkeiten und Herausforderungen von Kunststoffprodukten in der Circular Economy
Am 10. Dezember fand die letzte Ringvorlesung Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit in diesem Jahr statt. Im Rahmen der Veranstaltung sprach Dr. Stefan Bosewitz via Youtube Livestream über die Möglichkeiten und Herausforderungen von Kunststoffprodukten in der Circular Economy. Dr. Bosewitz ist studierter Umwelttechniker und hat auf dem Gebiet der Verfahrens- und Sicherheitstechnik promoviert. Themengebiet seiner Promotion war der Einsatz von organischen Lösungsmitteln beim Recycling von Kunststoffen. Anschließend arbeitete er als Marketingmanager bei der Deutschen Gesellschaft für Kunststoffrecycling GmbH (einer Tochterfirma des Dualen Systems „Der Grüne Punkt“).
Kunststoffproduktion in Zahlen
Seinen Vortrag begann er damit, die Größenordnung der weltweiten Kunststoffproduktion darzustellen. Im Jahr 1989 überholte die globale Kunststoffproduktion die Weltstahlproduktion physikalisch beim Werkstoffvolumen. Wurden 1990 rund 86 Mio. t Kunststoff produziert, so hat sich die Produktion 30 Jahre später mit 349 Mio. t fast vervierfacht. Allein in Deutschland werden jährlich rund 13 Mio. t Kunststoff verbraucht, die größten Anteile entfallen dabei auf Verpackung (35 %), Bau (22 %) und Fahrzeuge (12 %). Die im Verpackungsbereich am häufigsten verwendeten Kunststoffe sind dabei PE‑LD, PE-HD, PP und PET, in der Bauwirtschaft ist es PVC.
Recycling ist nicht gleich Recycling
Im weiteren Verlauf des Vortrags erläuterte Dr. Bosewitz, dass Recycling nicht gleich Recycling ist, sondern mit Recycling Unterschiedliches gemeint sein kann. So wird bei der Weiterverwendung ein gebrauchtes Bauteil in einem veränderten, meistens verminderten Sinne eingesetzt – beispielsweise ein Altreifen als Stoßfänger im Hafen. Bei der Wiederverwendung hingegen wird das gebrauchte Bauteil im ursprünglichen Sinne eingesetzt – beispielsweise ein Altkotflügel vom Schrottplatz. Bei beiden Varianten wird gern vom Bauteilrecycling gesprochen. Die Wiederverwertung bezeichnet den Sekundäreinsatz eines Materials – beispielsweise einen Farbeimer aus Regranulat – und wird gern als werkstoffliches Recycling bezeichnet. Bei der letzten Art, der Weiterwertung, werden Werkstoffe mit Rohstoffverlust verwertet (Energie- bzw. Grundstoffgewinnung). Dabei wird auch gern vom energetischen Recycling gesprochen. Eine reine Müllverbrennung jedoch ist eine Beseitigung und keine Verwertung, also auch kein energetisches Recycling. Darüber hinaus muss beim Recycling hinsichtlich der Quelle des Recyclingmaterials unterschieden werden. Es ist nicht unerheblich, ob ein Produkt aus Produktionsabfällen, die innerhalb der Produktion recycelt werden oder aus Haushaltsabfälle bzw. haushaltsähnliche Gewerbeabfälle hergestellt wurde. In der Regel assoziieren die Bürger recycelten Kunststoff mit den Kunststoffen des gelben Sackes. Da kann ein Produkt aus recyceltem Kunststoff, was aus dem post-industry Bereich stammt schon mal zu falschen Schlüssen führen.
Möglichkeiten für Produkte aus dem Kunststoffrecycling
Anhand einer Reihe verschiedener Produkte zeigte Dr. Bosewitz auf welche Möglichkeiten Kunststoffrecycling bietet. So kennt zwar jeder die PET-Flasche, die wieder zur PET-Flasche wird, aber kaum jemand die Lärmschutzwände aus recyceltem Kunststoff, Spielgeräte auf Kinderspielsätzen, einen Anglerkoffer aus Joghurtbechern oder mechanische Dämmplatten aus recyceltem PS-E besser bekannt als geschäumtes Polystyrol bzw. Styropor. Da es den Rahmen der Vorlesung zweifellos gesprengt hätte, eine breitere Palette von Kunststoffrecyclingprodukten zu zeigen, verwies der Dozent auf den von ihm verfassten Herkunftskatalog.
Recyclinggerechte Konstruktion – Warum ist Kommunikation so wichtig?
Welche wichtige Rolle die Kommunikation bei einer recyclinggerechten Konstruktion spielt, verdeutlichte der Referent anhand einer Joghurtverpackung, die aus PLA hergestellt wurde. Der Produzent warb auf der Verpackung mit einem entsprechenden Recycling, das aber im Vorfeld nicht mit den Verwertern abgesprochen wurde. Es folgte ein Marketing-Desaster, da die Verwertung der Joghurtverpackung nur im Labor getestet worden war. Die suggerierte Verwertung in der realen Welt erfolgte nicht. Es ist daher essenziell, sich im Vorhinein Gedanken zu machen, welcher Recyclingweg vorgegeben wird bzw. welcher dem Produzenten vorschwebt, wie man die Verwerter erreicht, sie von Beginn an mit einbezieht und dabei die Ökobilanz des Produktes im Blick behält. Denn was nützt ein gelungenes Recycling, wenn an anderer Stelle Ressourcen unnötig geplündert werden?
Last but not least verwies der Referent auf die im September 2020 veröffentliche VDI Richtlinie 2343. Sie enthält unter anderem eine Werkstofftaxonomie. Damit soll die Kommunikation über bzw. von Kunststoffen wesentlich verbessert werden. Diese Systematik definiert u.a. die vielfach benutzen Begriffe: Kunststoffgruppe, Kunststofffamilie, Kunststoffart, Kunststoffsorte und Kunststofftyp. Sie werden in der Fachwelt zwar gern benutzt aber ohne definiert zu sein, sind Missverständnissen dann nur eine Frage der Zeit. Die o.g. VDI Richtlinie schließt das bei Anwendung aus.
Die Ringvorlesung kehrt am 14. Januar 2021 mit einem Vortrag von Elna Schirrmeister mit dem Titel „Entwicklung von Zukunftsbildern einer Bioökonomie: partizipativer Foresight-Prozess im Projekt BioKompass“ zurück.