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Digital Product Passport – das nächste „Große Ding“!?

Der digitale Produktpass könnte eine sinnvolle Sache sein, aber nur für ausgewählte Produkte und für spezielle Anwendungsbereiche, meint Dr. Christian Kühne vom Thinktank Industrielle Ressourcenstrategien Karlsruhe. In seinem Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung des Studiengangs Ressourceneffizienz-Management an der Hochschule Pforzheim goss er etwas Wasser in den Wein. Denn momentan wird der digitale Produktpass von der europäischen und der Bundespolitik stark beworben – als das „nächste große Ding“, wie das früher Steve Jobs für seine Apple-Innovationen auszudrücken pflegte. Und der Pass soll alles umfassen: technische Daten wie die Materialzusammensetzung, ökonomische Daten aus der Wertschöpfungskette, Informationen über Umwelt, Klima und Soziales und vieles mehr.

Während die meisten den Pass als zusätzliche Information für den Konsumenten verstehen und ihn für nahezu alle Produkte vorsehen, sieht Kühne seine Vorteile bei komplexen und langlebigen Produkten: „Hier kann der Pass einen Beitrag leisten, langfristig die enthaltenen Rohstoffe zu verwerten und zum Beispiel die Demontage zu unterstützen.“ Die Hauptadressaten sieht er in der Wirtschaft. Als Beispiele führt er Autos oder die Rotoren von Windkraftanlagen an, die am Lebensende aufwendig recycelt werden müssen, und die das richtige Maß an Wertigkeit und Komplexität mitbringen. Auch Akkus aus der e-Mobilität würden sich deshalb besonders gut als Anwendungsbeispiel eignen. Aber mache es auch Sinn, einen entsprechenden QR-Code auf jeden Joghurt-Becher und jede Schraube zu drucken?

Kühne plädiert dafür, zuerst die konkreten Produktanforderungen, die Zielgruppen und den tatsächlichen Bedarf genau zu analysieren, bevor man Standards schafft. „In der praktischen Umsetzung gibt es zahlreiche Beschränkungen eines solchen digitalen Produktpasses, die man frühzeitig berücksichtigen muss“, sagte Kühne in seinem Vortrag und warnt vor der „eierlegenden Wollmilchsau“. Dann könnte der Pass für bestimmte Produktgruppen Erfolg haben, insbesondere wenn er international ausgerichtet sei.

Zur Person

Dr. Christian Kühne war viele Jahre in der Umweltverwaltung Baden-Württembergs tätig. Er verantwortete im Umweltministerium Baden-Württemberg den Bereich Umwelttechnik und Ressourceneffizienz – zuletzt in der Funktion als stellvertretender Referatsleiter Umwelttechnik, Forschung und Ökologie. Zu seinen Aufgaben gehörten die Einführung des Umwelttechnikpreises Baden-Württemberg, die Durchführung der Akteursplattform Ressourceneffizienz, die Erarbeitung der Landesstrategie Ressourceneffizienz sowie zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsprogramme und -projekte wie die Ultraeffizienzfabrik oder die industrielle Demontage. Er initiierte und organisierte den ersten Ressourceneffizienzkongress Baden-Württemberg und spätere Ressourceneffizienz- und Kreislaufwirtschaftskongresse Baden-Württemberg. Seit Herbst 2019 ist er Geschäftsführer des THINKTANK Industrielle Ressourcenstrategien – eine gemeinsame Initiative der Politik und Industrie. Der THINKTANK ist am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) angesiedelt.

Inhalt

Die Erwartungen sind groß. Die Versprechen sind groß. Vollständige Transparenz zu jedem Produkt in jeder Lebensphase für jeden. Kreislaufwirtschaft funktioniert, sie braucht nur alle Daten und Informationen. Illegale, unsoziale und umweltschädigende Materialien und deren Gewinnung und Verarbeitung können leicht überwacht und kontrolliert werden. Kunden können anhand transparenter Informationen entscheiden, ob sie nachhaltige Produkte bevorzugen. Damit sind alle Probleme gelöst. Ist dem wirklich so? Was kann der digitale Produktpass leisten und was soll er leisten – für wen und wozu? Der Vortrag gibt einen kleinen Überblick zu den Möglichkeiten, aber auch Grenzen des digitalen Produktpasses und dessen mögliche Umsetzung und seinen sinnvollen Einsatz.

 

Wir danken dem Referat für Technik- und Wissenschaftsethik (rtwe) an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaft des Landes Baden-Württemberg für seine finanzielle Unterstützung.

Kontakt und Konzeption: Marlene Preiß (marlene.preiss@hs-pforzheim.de, 07231 286138), Prof. Dr.-Ing. Claus Lang-Koetz, Prof. Dr. Tobias Viere