Tagung „Medium Lehrmittel“ des Forschungsprojekts KUPFER

News

Symposium diskutiert historische Bildungspraxis im Wandel
Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Gruppenbild vor der Fakultät für Gestaltung

Foto: Harald Koch

Welche Rolle spielen Lehrmittel in der Gestaltung von Wissensprozessen? Dieser Frage widmete sich die internationale Tagung „Medium Lehrmittel“, die vom 27. bis 29. März 2025 an der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim stattfand. Organisiert im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „KUPFER – Die Lehrmittelsammlung der Kunstgewerbeschule Pforzheim“, versammelte das dreitägige Symposium renommierte Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Fachrichtungen.

Im Zentrum standen historische didaktische Objekte – von Gipsmodellen über Glasdias bis zum Heimcomputer – und ihre Funktion als aktive Medien der Wissensvermittlung. Die Tagung ermöglichte einen transdisziplinären Austausch über materielle Bildungskulturen und beleuchtete Lehrmittel als Schnittstelle zwischen Pädagogik, Gestaltung und Mediengeschichte.

Lehrmittel jenseits klassischer Sammlungen

Rektor Prof. Dr. Ulrich Jautz, Dekan Prof. Johann Stockhammer sowie die Veranstalter:innen Prof. Dr. Evelyn Echle und Prof. Dr. Thomas Hensel eröffneten die Tagung. Den ersten Impuls setzte Prof. Dr. Ann-Sophie Lehmann (Universität Groningen), die in ihrer ethnografischen Forschung untersucht, wie in Werkstätten von Kunsthochschulen Lehrmittel eingesetzt werden. Dabei hob sie auch eine weniger beachtete Kategorie hervor: das sogenannte Lehrzeug – all das Flüchtige und Ephemere auf Regalen und Notizzetteln, das im Arbeitsprozess aufgeht. Tabea Schmid, Akademische Mitarbeiterin im Projekt KUPFER, untersuchte Schülerausstellungen der Pforzheimer Kunstgewerbeschule und zeigte, dass diese nicht nur Ergebnisse präsentieren, sondern auch Normen der Ausbildung reflektieren. Am Beispiel der Schülerausstellung von 1927 machte sie das Spannungsfeld zwischen Serialität und Singularität im Design deutlich. Prof. Dr. Eva Maria Froschauer (Berliner Hochschule für Technik) erweiterte die Perspektive mit der Frage: „Wie lässt sich die Schnittstelle von Material zu Entwurfsprozessen beschreiben?“ Sie analysierte Sammlungsobjekte als Werkzeuge für kreative Prozesse, etwa in der Architektur Le Corbusiers, und bezeichnete diese als Augenblicksgötter – Dinge, die das Vergangene bewahren, um das Zukünftige zu inspirieren. Ihr Fazit: „Die Obsession des Sammelns sucht in der Geschichte der Architektur auch einen Weg außerhalb der expliziten Lehrmittelsammlung.“

Historische Lehrmittel: mediale Vielfalt

Dr. Angela Nikolai (Museum Naturalienkabinett Waldenburg) führte die Zuhörenden in das kunstgewerbliche Pflanzenstudium des 19. Jahrhunderts ein. Am Beispiel von Pflanzenvorlagen des Kunstpädagogen Moritz Meurer (1839–1916) fragte sie: „Wie zogen die Pflanzen in die Klassenräume ein?“ und zeigte aus dem reichhaltigen Quellenmaterial, dass Pflanzenmodelle auf Papier, in Gips und aus Metall untereinander Verweise schufen. Ein weiteres Highlight war der Vortrag von Prof. Dr. em. Frank Kessler (Universität Utrecht) und Dr. Sabine Lenk (Universität Marburg), die Glasdias als zentrale Medien der universitären Lehre bis weit über die 1920er Jahre hinaus untersuchten. Sie beschrieben Glasdias als „immutable mobiles“ (Latour), also als mobile Lehrmittel, die in Vorträgen zirkulieren und zugleich unveränderlich bleiben. Dr. Veronika Tocha (Staatliche Museen zu Berlin) gab Einblicke in ihre Forschungsarbeit zum Taufbecken von Siena und seiner Gipsmodelle, die nicht bloße Kopien, sondern Objekte mit eigener Bedeutung seien. Das allererste Gipsmodell ließ sie im Jahr 2024 nach behutsamer Restauration im Berliner Bode-Museum ausstellen. Dr. Jörg Völlnagel (ebenfalls Staatliche Museen zu Berlin) zeigte anhand farbenfroher Bilderhandschriften der Alchemie, dass diese Lehrmittel nicht für Lernende, sondern für Wissende gedacht waren, die die allegorisch kodierten Anleitungen zu deuten wussten.

“What you see is what you get”

Wie strukturieren Schulwandbilder den Blick und die Wahrnehmung? Dr. Ina Katharina Uphoff (Universität Würzburg) erklärte: „Schulwandbilder sind explizites Zeigzeug. Ihr Anspruch war es, alles zu zeigen, doch mussten sie die Welt destillieren. Durch die Balance von Akzentuierung und Vereinfachung wurden sie Modelle der Vorstellung – sie öffneten den Blick der Schüler:innen und verstellten ihn zugleich.“ Den Schlusspunkt setzte Dr. Dr. Stefan Höltgen (Universität Halle/Universität Bonn), der mit „GOSUB 1982“ Heimcomputer als Lehrmittel für medienwissenschaftliche Seminare aktiviert. Sein Ansatz: „Gerade 8-Bit-Systeme ermöglichen durch ihr Reenactment, dass Studierende Aspekte von Hardware, Software und Programmierung praktisch verstehen, die auf moderne Systeme übertragbar sind.“

Eine fakultätsgeschichtliche Spurensuche

Ein Rundgang durch das Fakultätsgebäude ermöglichte spannende Einblicke in die historische Architektur der Kunstgewerbeschule Pforzheim. Das 1911 errichtete Gebäude war einer der ersten Eisenbetonskelettbauten Baden-Württembergs und besaß innovative Lehrmittelräume mit Frischluftzufuhr, Pflanzenhäusern und sogar Aquarienanlagen. Aktuelle Werkstatttechniken wurden ebenfalls vorgestellt: Frank Wüst demonstrierte in der Galvanik die Möglichkeiten der Metallbeschichtung. In der Goldschmiedeabteilung standen ehrwürdige Guillochiermaschinen zur Schau, während Gabriele Maier anhand historischer Metallarbeiten die handwerkliche Musterfertigung erläuterte. Thomas Leicht demonstrierte spontan einen Spritzgussvorgang in der Silberschmiedeabteilung. Prof. Vito Pace begeisterte die Besucher*innen in seiner Bildhauerei für die didaktischen Qualitäten von Gips.

Fazit: Lehrmittel als welterzeugende Medien

Die Tagung „Medium Lehrmittel“ machte deutlich: Didaktische Objekte sind keine neutralen Vermittler, sondern lenken Wahrnehmung und Erkenntnis. In einer digitalisierten Welt bleibt die kritische Reflexion über diese Medien essenziell. Mit einem Besuch des Schmuckmuseums Pforzheim – dem Kooperationspartner des Projekts „KUPFER“ – endete die Veranstaltung. Ein passender Abschluss für eine Tagung, die Lehrmittel nicht nur historisch betrachtete, sondern als aktive Wissensakteure neu verortete.

 

Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Johann Stockhammer
Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Prof. Thomas Hensel
Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Ausstellung
Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Prof. Dr. Ann-Sophie Lehmann
Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Prof. Dr. Angela Nikolai
Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Dr. Jörg Völlnagel
Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Glasdias
Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Galvanisierte Objekte
Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Bildhauerei
Tagung Medium Lehrmittel Forschungsprojekt Kupfer Bildhauerei