Potenzial für Process Mining in der öffentlichen Verwaltung
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Die Digitalisierung der deutschen Behörden hat inzwischen ein breites Lösungsspektrum: von schnell und 1:1 digitalisierten analogen Formularen, bis vollständig neu gedachten Services und Prozessen. Wie gut diese funktionieren, ist oftmals aber nicht klar. Mit zunehmendem Digitalisierungsgrad und der Verfügbarkeit von Prozessdaten eröffnen sich Behörden jedoch neue Möglichkeiten, eine objektivere Sicht auf das Prozessgeschehen zu bekommen. Eine neue Kurzstudie des Nationalen E-Government Kompetenzzentrums untersucht das Potenzial von Process Mining. Das Verfahren ist in der Privatwirtschaft bereits etabliert, um digitalisierte Geschäftsprozesse zu untersuchen und zu optimieren.
„Process Mining eröffnet neue Möglichkeiten, um Ineffizienzen und Engpässe bei Verwaltungsabläufen aufzudecken", resümiert Mitautor Professor Dr. Frank Morelli. „Perspektivisch ließe sich damit auch ein dauerhaftes Monitoring einrichten, um Automatisierungspotenziale zu erkennen und die Verwaltungen nachhaltig zukunftsfähig zu machen.“
Um diese Chancen nutzen zu können, müssen jedoch bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein. „Zwingende Voraussetzungen für den Einsatz von Process Mining sind möglichst durchgängig digitalisierte Prozesse und geeignete Datengrundlagen“, ergänzt Sobiah Abdullah, Mitautorin der Studie und Masterandin an der Hochschule Pforzheim. „In der Praxis ist das in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung noch nicht gegeben.“
Fallstudie analysiert Erfassung und Verwaltung von Covid-19-Daten
Process Mining ist ein Verfahren zur Analyse von Prozessen, das sich hauptsächlich auf die algorithmische Auswertung von Log-Daten stützt, die bei der Durchführung der Prozesse in den jeweils betroffenen Systemen protokolliert werden. Es kommt zum Einsatz, um Ist-Prozesse transparent zu machen (Discovery), einen erwarteten "Happy Path" mit dem tatsächlichen Prozessablauf zu vergleichen (Conformance Checking) und das Prozessgefüge auszubauen und zu optimieren (Enhancement).
Um das Potenzial von Process Mining in der Verwaltung auszuloten, haben die Studienautor*innen eine Fallstudie im Bezirksamt einer deutschen Großstadt durchgeführt. Einen bestimmten Prozess - die Falluntersuchung von mit Covid-19 infizierten Bürgern - untersuchte das Studienteam anhand von Experteninterviews und einem Process Mining-Prototyp.
Ein Vergleich der Analyseergebnisse beider Methoden zeigte, dass der durch Process Mining untersuchte Ist-Zustand Zusammenhänge transparent macht, die nicht aus den Experteninterviews hervorgegangen sind. Wenn einer der 479 im Datensatz erfassten Fälle beispielsweise einem Bearbeiter ein zweites Mal zugewiesen wurde, erhöhte sich die Bearbeitungszeit im Schnitt um dreieinhalb Tage. Ein wesentlicher Vorteil des Ansatzes: Die automatische Abbildung von Prozessen unterliegt keinen subjektiven Eindrücken und etwaigen Wahrnehmungsverzerrungen.
Organisatorische Voraussetzungen: Fähigkeiten bündeln und behördenübergreifend einsetzen
Um zu klären, ob Process Mining für bestimmte Anwendungsfälle in der Verwaltung geeignet ist, skizziert die Studie eine strukturierte, dreistufige Vorgehensweise. Am Anfang steht die Definition des Zielbereichs. Hier geht es zunächst darum, geeignete Prozesse zu identifizieren. Dann folgt die Analyse der Prozessstruktur und der involvierten Systeme. Im dritten Schritt wird sichergestellt, dass die Datengrundlage eine ausreichende Qualität ausweist und für das Process Mining geeignet ist.
Für eine erfolgreiche Implementierung müssen außerdem organisatorische Voraussetzungen erfüllt sein. „Der Einsatz von Process Mining geht auch mit einem Kulturwandel einher. Datengestützte Prozessanpassungen stoßen erst dann auf Akzeptanz, wenn sich allen Beteiligten der Sinn dahinter erschließt. Neben den zu erfüllenden technischen Voraussetzungen ist es unabdingbar, die Mitarbeitenden in der Verwaltung mitzunehmen“, sagt Roland Kreutzer, Mitautor sowie Partner und Leiter Public Sector der mgm consulting partners.
Die Autorinnen und Autoren empfehlen, die benötigten Process Mining-Fähigkeiten für eine bessere Koordination beispielsweise in sogenannten „Center of Excellence“ zu bündeln - eine in der Privatwirtschaft etablierte Organisationsform, die Aufgaben rund um den Wissensaufbau sowie Governance- und Compliance-Aspekte zentral verankert. Ein behördenübergreifender Einsatz von Process Mining böte zudem das Potenzial, ein umfassenderes Benchmarking von Aktivitäten zu etablieren. Unterschiedliche Regelungen - zum Beispiel auf Ebene der Bundesländer - erschweren allerdings solche Vergleiche.
Die Studie steht auf der NEGZ-Seite zum Download bereit: https://negz.org/process-mining-in-der-oeffentlichen-verwaltung/