Auslandssemester an der Caucasus University, Georgien - Ein Erfahrungsbericht

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Im Wintersemester 24/25 ging es für mich ins Auslandssemester nach Georgien. Ich hatte keine großen Erwartungen und auch keine genauen Vorstellungen darüber, was mich in diesem Land erwartet. Die Nachricht, dass es für mich nach Tbilisi geht, kam für mich überraschend, da ich meinen Traum vom Leben in Paris verwirklichen wollte.

Ende August flog ich dann gemeinsam mit meiner Schwester, Mutter und einer Freundin von ihr nach Tbilisi, da mich der Gedanke schauderte, ganz alleine in ein fremdes Land zu ziehen, in dem ich nicht einmal die Schrift lesen kann. Wir verbrachten eine gemeinsame Woche in Georgien und waren einfach nur begeistert. Die Natur, die Menschen, das Essen und das sonnige, warme Wetter. Der Support von vertrauten Menschen hatte mir den Start sehr erleichtert und nachdem ich mich mit anderen Erasmusstudierenden unterhalten habe, die sich anfangs noch einsam gefühlt haben, wusste ich, dass es die richtige Entscheidung war. Es gab meiner Familie ein Gefühl von Vertrautheit, zu wissen, wo ich bin und wie es sich anfühlt.

Pünktlich am 2. September ging das Semester los und wir 22 Erasmusstudierende fanden uns an der #CaucasusUniversity zusammen und wurden eingeführt. Mit dabei waren auch mehrere georgische Studierende, die uns sofort ihr Interesse zeigten, Fragen zu beantworten und Freundschaften zu schließen. Wir waren eine Gruppe aus 12 französischen Studierenden, 4 aus Deutschland, 3 aus Indien, 2 aus Dänemark und einer Person aus Kasachstan. Ab der ersten Sekunde fand man Bekanntschaften, die sich später zu Freundschaften entwickelten.

Ich belegte 5 Kurse à 5 Credits und mein Stundenplan bestand aus einer Vorlesung pro Tag, beginnend um 20 Uhr abends. So hatte ich tagsüber Zeit, die Stadt zu erkunden und mich dem Sport zu widmen. Auch samstags am Mittag hatte ich eine Vorlesung und wenn mal eine Vorlesung ausgefallen ist, wurden diese meistens sonntags nachgeholt. Die Caucasus University und die Hochschule Pforzheim sind kaum zu vergleichen und ich bin dankbar für diese Erfahrung. Da die Caucasus University frisch renoviert wurde, ist der Campus, welcher an einem Berg liegt und eine eher kleinere und private Universität ist, wunderschön! Es gibt einen schönen Garten mit Ausblick auf die Stadt und Bänke, Hängematten sowie ein Sportfeld. Im Gebäude selbst befanden sich Cafés, eine kleine schöne Bibliothek, ein Gerichtssaal, ein Nachrichtenstudio und sogar eine Kirche/Gebetsraum.

Für Fragen gab es immer einen Ansprechpartner, sei es von den georgischen Kommilitonen oder seitens der Uni, es wurde immer schnell reagiert. Das gesamte Lernsystem war eine sehr neue Erfahrung, denn man baut sich die Endnote stückweise auf und ist nicht auf eine Prüfung am Ende des Semesters angewiesen, was ich als positiv empfinde. Die Bestnote ist 100 Punkte und die Note setzt sich circa so zusammen, dass es für die Midterm Exams 20-25 Punkte gibt, für die Final Exams 30 Punkte, Präsentationen/Projekte 10-25 Punkte und in jeder einzelnen Vorlesung ein Quiz, sei es mündlich oder schriftlich, an dem ca. 2-5 Punkte gesammelt werden können. Wie aufwendig das auch klingen mag, war der Schwierigkeitsgrad meines Erachtens ziemlich gering, da es viel Wiederholung für mich war und meist nur ein Auswendiglernen von wenigen Slides. Trotzdem habe ich interessante neue Dinge gelernt, wie zum Beispiel das Verfassen einer E-Mail oder die Art, richtige Fragen zu stellen, im Modul Business Communications.

Ende November veränderte sich mein Aufenthalt zu 100%, da sich die politische Lage in Georgien zuspitzte aufgrund der Wahlergebnisse in der Regierung. Täglich fanden große und gewaltsame Proteste am Parlament statt, an denen auch einige Erasmusstudierende teilnahmen, ich jedoch mied das Parlament seit diesem Tag. Uns erreichte eine Mail von der Uni mit der Ansage, dass der Lernbetrieb bis auf ungewisse Zeit ausgesetzt wird. Wir waren alle ratlos und Tag für Tag verließen mehr Erasmusstudierende Georgien mit der Versicherung, das Auslandssemester online abschließen zu dürfen. Ich bin geblieben, da ich mich nicht in Angst befand und meinen routinierten Alltag weiterlebte. Am 23. Dezember wurde der Lehrbetrieb wieder aufgenommen und alle Erasmusstudierenden befanden sich bereits in ihren Heimatländern, auch ich über die Feiertage. Die Vorlesungen fanden online statt, auch an Heiligabend, da in Georgien Weihnachten erst im Januar gefeiert wird. Am 4. Januar flog ich wieder nach Georgien, wir waren nur noch 3 Erasmusstudierende. Für mich gab es keinen Grund, den Aufenthalt abzubrechen, die Miete und Flüge waren bereits bezahlt und mir gefiel das Leben in Georgien. Die Final Exams wurden um 3 Wochen nach hinten verschoben und ich entschied mich nun dazu, am 18. Januar Georgien zu verlassen und die Prüfungen, welche bis Mitte Februar gingen, online zu absolvieren, wie auch alle anderen Erasmusstudierenden. Seit Dezember protestierten auch viele Restaurants, Bars und andere Einrichtungen, Weihnachtsmärkte blieben geschlossen und es wurde ruhiger. Trotz allem beendete ich mein Auslandssemester sehr erfolgreich und lernte viel für‘s Leben dazu.

 

Haben sich meine Erwartungen erfüllt?

Die 5 Monate in Georgien haben meine Erwartungen bei weitem übertroffen und ich bin sehr dankbar für alles, was ich erleben durfte. Das Land ist noch verschont vom Massentourismus und bietet sehr viel, was man entdecken kann. Der Wein zum Beispiel hat seinen Ursprung in Georgien und es gibt viele Touren, bei denen man viel lernen kann. Auch die Natur in Georgien ist atemberaubend und nur zu empfehlen. Die Caucasus University versucht stets, uns ausländische Studierende zu unterstützen und doch ist sie aus organisatorischer Sicht etwas durcheinander, aber man findet sich zurecht. Die Menschen in Georgien sind sehr hilfsbereit, offen, laut, schick, zuvorkommend, respektvoll und große Fans von Deutschland. Das vertraute Europa zu verlassen, ist eine Herausforderung, aber sie stärkt einen und man kommt zurück nach Deutschland mit frischer Energie, einer anderen Sichtweise auf die Dinge und auch einer Dankbarkeit für das, was man in Deutschland zuvor nicht immer geschätzt hat.

 

Tipps & Tricks für einen Aufenthalt in Georgien

Georgien befindet sich geografisch gesehen zwischen Russland und der Türkei, direkt am Schwarzen Meer. Die Sonne scheint jeden Tag, es regnet ca. 2 Tage im Monat und generell ist das Klima wärmer als in Deutschland. Die Sprache ist Georgisch, was eine einzigartige Sprache ist, welche keiner anderen ähnelt. Die meisten Menschen, vor allem die Älteren, sprechen Russisch, was mir sehr weitergeholfen hat, da ich die russische Sprache beherrsche. In der Uni konnten die meisten Studierenden sehr gut Englisch sprechen, außerhalb eher vereinzelt und auch eher die jüngere Generation. Es gibt eine starke Spaltung in Georgien zwischen prorussisch und pro-europäisch, weshalb ich mich mit der russischen Sprache zurückhalten musste, da es einige gibt, die aus Protest nicht antworten würden, viele jedoch begrüßten Russisch sehr. Dieser Punkt war auch der Grund für die Proteste im Land. 

Die Währung ist Georgische Lari (GEL), drei Lari entsprechen ca. einem Euro. Man kann fast überall problemlos mit der Karte bezahlen, Überweisungen an georgische Konten waren jedoch problematisch. Generell ist Georgien ein sehr familiäres, religiöses und sauberes Land mit viel Tradition, die Kriminalitätsrate ist sehr gering und ich lief auch nachts alleine nach Hause, was ich in Deutschland niemals tun würde. Die Preise sind im Vergleich zu Deutschland ziemlich gering, eine 20-minütige Taxifahrt kostet ca. 2-3 Euro und ein Essen in einem sehr guten Restaurant ca. 7 Euro. Für die Taxifahrten benutzte ich immer die App Bolt, damit kam ich super zurecht, andere benutzen auch Yandex. Eine Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel kostet ca. 11 Euro, allerdings muss man dafür starke Nerven haben, denn die Busse sind meistens überfüllt, kommen erst gar nicht oder fahren in die falsche Richtung für diejenigen, die kein Georgisch sprechen und lesen können, also kein Verlass. Es gibt große Busse, die regelmäßig stoppen und kleine Marschrutkas, bei denen man dem Fahrer zurufen muss, dass er bitte anhält. Alles sehr chaotisch, wie auch der Rest des Straßenverkehrs. Es gibt auch 2 Metrolinien, diese bringen einen jedoch kaum direkt von A nach B, da es eben nur 2 Linien sind. 

Tbilisi ist eine große Stadt, ich lebte nicht direkt im Zentrum, da ich zusammen mit einer anderen Erasmusstudentin aus Deutschland, welche ich im Vorhinein durch die Uni kontaktieren konnte, eine schöne Neubauwohnung für 700 $ fand. Auf jeden Fall eine bessere Option als überteuerte Airbnbs, da die Wohnungen auch komplett möbliert und ausgestattet vermietet werden. Strom- und Wasserausfälle sind jedoch auch in einer Neubauwohnung regelmäßig vorprogrammiert. So konnten wir in einem Stadtviertel leben, das von Tourismus und Protesten verschont blieb und wir lebten zwischen Einheimischen und Straßenhunden. In Facebook gibt es viele Gruppen mit Angeboten für Wohnungen oder zum Beispiel auf home.ss.ge. Läden und Apotheken sind an jeder Ecke zu finden und auch sonntags bis 23 Uhr geöffnet. Wir haben viele Tagestrips unternommen, meist über GetYourGuide gebucht, unsere Lieblingsagentur für Ausflüge war ganz klar Gamarjoba Georgia Tours. Die Berge sind atemberaubend und für Skiliebhaber ein guter Tipp, da es auch sehr günstig ist im Vergleich zu Österreich, Schweiz oder Frankreich. Ansonsten war Fabrika ein Ort der Versammlung, ein Hostel mit vielen Bars und Restaurants. Mein Fitnessstudio, an dem ich fast mehr Zeit als in der Uni verbrachte, da das Kursangebot sehr toll war, hieß Oktopus und ich spreche meine vollste Empfehlung aus, auch für das günstige Wellnessangebot. Ansonsten werden über WhatsApp-Gruppen, in welche die Uni einen hinzufügt, viele Veranstaltungen und Unternehmungen organisiert, um Leute kennenzulernen.

 

Text und Bilder: Ilona Splet