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Energiewende: Haussanierung oder Herz-OP?

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Der Umstieg auf Wasserstoff ist unverzichtbar, aber mit vielen Risiken verbunden

Die Referenten des Wasserstoff-Symposiums an der Hochschule Pforzheim: Isabell Knüttgen (e-mobil BW), Christoph Luschnat (terranets bw GmbH) Marco Schmid und Prof. Mario Schmidt (bei-de HS Pforzheim), Katharina Fraune (Evonik Industries AG), Dr. Stephan Weyand (Witzenmann GmbH), Dr. Christian Haubach (Verband d. Chem. Industrie BW). Foto: A. Vogt.

Wasserstoff ist in aller Munde, als Wundermittel für die Energiewende. Es soll als Speichermedium für den unsteten Sonnen- und Windstrom dienen, als grüner Energieträger für die Industrie und als Ersatz für das Erdgas in Gaskraftwerken. Dazu sollen in naher Zukunft riesige Verteilnetze aufgebaut und umgebaut werden. Doch ist das alles realistisch?

Das Symposium „Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz“ der Hochschule Pforzheim widmete sich am 6. Dezember diesem Zauberstoff und seiner Bedeutung für die Energiewende. Kompetente Expertinnen und Experten stellten einem großen Auditorium aus interessierten Bürgerinnen und Bürgern sowie Hochschulangehörigen die aktuellen Planungen vor. Veranstaltet wurde das Symposium vom Institut für Industrial Ecology (INEC) der Hochschule, moderiert von dessen Leiter Professor Mario Schmidt.

Der Wasserstoffkoordinator beim Netzbetreiber terranets bw, Christoph Luschnat, stellte vor, was in den nächsten Jahren an Netzumstellung und Ausbau geplant ist. Schrittweise werden im Rahmen des nationalen H2-Kernnetzes auch in Baden-Württemberg große Leitungen wasserstofftauglich gemacht, insbesondere auf der nördlichen West-Ost-Achse des Landes. Dabei sei aber nicht geplant, dass der Wasserstoff über die Verteilnetze der Stadtwerke bis in die Haushalte geleitet wird, er sei also kein direkter Ersatz für das Erdgas. Der Wasserstoff diene vielmehr als klimafreundlicher Brennstoff für Kraftwerke und als Rohstoff für Industrieunternehmen.

Isabell Knüttgen, Leiterin der landesweite Plattform H2BW bei der Landesagentur e-mobil BW, erklärte die Potenziale im Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, aber auch welcher Abstimmungsbedarf erforderlich sei. Sie verglich die zukünftige Einführung der Wasserstoff-Infrastruktur mit der Kernsanierung eines Hauses, in dem man gleichzeitig wohnt – also eine Erneuerung im laufenden Betrieb. In einem Interview am Rande des Symposiums meinte Professor Schmidt dazu: „Die Umstellung auf Wasserstoff ist eher eine Operation am offenen Herzen als eine Haussanierung. Die Herz-OP ist zweifelsohne notwendig und wenn sie gelingt, ist alles gut. Wenn nicht, ist der Patient tot. Das gilt dann für unseren Wohlstand und für unsere Wirtschaft, und dem Weltklima ist damit auch nicht mehr geholfen.“

Schmidt wies darauf hin, dass derzeit eine Koordination zwischen den verschiedenen Ebenen von der EU bis runter zu den Kommunen fehle. Doch alles müsse ineinandergreifen, damit die Transformation gelinge. Ohne einen Masterplan und einen Gesamtverantwortlichen, der die ganzen administrativen und technischen Hürden ausräumen hilft, werde das Erfolgsrisiko der Wasserstoff-Transformation enorm groß sein. 

Die Nachhaltigkeitsmanagerin Katharina Fraune des Chemieunternehmens Evonik in Rheinfelden ging stärker auf die Nöte der Wirtschaft ein. Der in Deutschland grün produzierte Wasserstoff sei nach derzeitigem Kenntnisstand zu teuer, um mit den daraus produzierten Produkten am Weltmarkt zu bestehen. Die Regularien von EU und Bundesregierung seien ein Hemmnis für die rasche Umstellung auf grünen Wasserstoff. Die Anbindung an Pipelines, durch die billiger und grüner Wasserstoff fließt, sei deshalb entscheidend für den Chemiestandort Deutschland.

Diese Einschätzung wurde auch von dem Nachwuchswissenschaftler Marco Schmid untermauert, der in einem großen Forschungsprojekt an der Hochschule Pforzheim die Klima- und Kostenwirkung der Transformation zu grünem Wasserstoff analysiert hat. Aufgrund des enormen Infrastrukturbedarfs bleibe Energie in Deutschland dauerhaft teuer. Von der Vision „Wind und Sonne schicken keine Rechnung“ könne erst mal keine Rede sein.

Auch die Pforzheimer Firma Witzenmann ist im Wasserstoffbereich aktiv: Das Gas muss durch Leitungen und Schläuche geleitet werden, an die höchste Qualitätsansprüche gestellt werden – eine exklusive Kompetenz der Pforzheimer. Dr. Stephan Weyand betonte, wie aufwendig und langwierig die Qualitätssicherung sei, und dass solche Aspekte bei der Zeitplanung von großen Projekten meistens außer Acht gelassen werden. Besonders schwierig sei für Unternehmen jedoch das Warten auf die bevorstehende Nachfrage, die sich immer wieder verzögere. Man stehe jedenfalls bereit.

Für die interessierten Studentinnen und Studenten konnte die ehemalige Absolventin des Studiengangs Ressourceneffizienz-Management Vanessa Roderer aus dem Nähkästchen plaudern: Sie ist Managerin für Wasserstoff beim Energieversorger EnBW AG. Wie kommen der Wasserstoff und seine Derivate wie z.B. Ammoniak nach Deutschland? Bei ihrer Arbeit helfen ihr insbesondere die Berechnungen zur Ökobilanz, die sie im Studium gelernt hat. 

Ein internationales Flair bekam das Symposium mit einer Live-Schaltung nach Kasachstan zu dem Leiter des Büros für Wasserstoffdiplomatie in Astana, Manuel Andresh, auch einem ehemaligen Absolventen der Hochschule Pforzheim. Das Büro steht exemplarisch für die Klimadiplomatie Deutschlands, bei der Schwellenländern mit Knowhow beim Klimaschutz geholfen wird. Einen leidenschaftlichen Erfahrungsbericht lieferte dann die Pforzheimer Studentin Helena Herzig von der Weltklimakonferenz in Baku. Ihr Fazit: Aufgeben ist keine Option!