Gemeinwohl-Ökonomie – ein alternatives Wirtschaftsmodell?
Dieser Frage ging Ulrike Häußler von der TeamWeitblick GmbH im Rahmen der Ringvorlesung Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit nach. Zu Beginn stellt Frau Häußler kurz dar wie sie selbst zur Gemeinwohlökonomiebewegung kam.
Warum Gemeinwohlökonomie?
In der Ökosphäre mit der wir alle Berührungspunkte haben, existieren menschliche Gesellschaften innerhalb derer es wiederum eine Wirtschaft gibt. Jedes Wirtschaftssystem ist Teil einer menschlichen Gesellschaft und steht dort im Mittelpunkt. Und genau diese Sichtweise der Wirtschaft als Zentrum ist verkehrt: So ist der Zweck der Wirtschaft in vielen Gesetzestexten wie folgt definiert: sie soll den Menschen bzw. dem Gemeinwohl dienen und nicht der Mensch einem wirtschaftlichen Zweck dienen.
Nur monetären Erfolg zu messen, führt zu sozialer Ungleichheit, die verschiedenen Untersuchungen zufolge in den letzten Jahren stetig zugenommen hat. In Befragungen der Bertelsmannstiftung gaben 90% der Befragten an, dass sie sich ein neues Wirtschaftsmodell wünschen, das die Umwelt ebenso wie sozialen Ausgleich berücksichtigt.
Vor diesem Hintergrund hat sich die Gemeinwohlökonomiebewegung formiert. Sie entstand aus ca. 15 Unternehmen, welche sich mit der Erarbeitung von Kriterien befasst haben wie sie es besser machen könnten.
Gemeinwohl messen – die Gemeinwohlmatrix als Instrument
Im Modell der Gemeinwohlökonomie tritt das Gemeinwohlprodukt an die Stelle des Bruttoinlandprodukts und auf Unternehmensebene wird die Gemeinwohlbilanz das Pendant zum Finanzgewinn. Bei der Gemeinwohlbilanz geht es darum festzustellen, ob und inwiefern Unternehmen einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. So wird beispielsweise nachvollziehbar, dass der Bezug von Produkten von Unternehmen, die einen Steuersatz von knapp über 0% haben, kaum dem Gemeinwohl dienlich sein kann.
Um eine Gemeinwohlbilanz zu erstellen wird die Gemeinwohlmatrix herangezogen. Diese deckt die 4 Werte: Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung in den 5 Berührungsgruppen: Lieferant, Eigentümer/Finanzpartner, Mitarbeitende, Kunden & Mitunternehmen, Gesellschaftliches Umfeld ab. Zu allen sich daraus ergebenden 20 Punkten muss in der Gemeinwohlbilanz berichtet werden. Am Ende ergibt sich durch verschiedene Gewichtungen und Berechnungen eine Gesamtpunktzahl für das Unternehmen.
Unternehmen kann die Gemeinwohlmatrix helfen alle Belange ihres Unternehmens auszuleuchten, Aktivitäten ganzheitlich zu reflektieren und Bewusstsein zu schaffen. Sie bietet zudem die Möglichkeit einer werteorientieren Entwicklung und kann die Identifikation und Motivation der Mitarbeiter sowie die Beziehungen zu Lieferanten und Kunden stärken.
Am Markt kann durch die Gemeinwohlmatrix der Beitrag eines Unternehmens zum Gemeinwohl sichtbar gemacht werden und als Entscheidungsgrundlage für nachhaltigkeitsbewusste Stakeholder dienen, es besteht außerdem die Möglichkeit von Vernetzung und Kooperation. Zudem könnten Unternehmen auf Grundlage ihrer Gemeinwohlbilanz von direkten Förderungen oder bei der Vergabe öffentlicher Aufträge profitieren.
Gemeinwohlökonomie in der Praxis
Zum Abschluss ihres Vortrags zeigte Frau Häußler anhand von Beispielen auf, wie Gemeinwohlökonomie in der Praxis aussehen kann. So trifft sich ein Anbieter von Biowaren einmal pro Jahr zu einem Rundtisch-Gespräch mit Vertretern aller Stufen der Wertschöpfungskette. Dabei werden die Bücher offengelegt und besprochen was jeder einzelne braucht und was andere in der Lage sind zu bezahlen. Ein anderes Unternehmen entschied sich für die Gemeinwohlmatrix, um die Werte die ohnehin bereits gelebt werden, nach außen hin sichtbar zu machen und dadurch auch attraktiver für Nachwuchskräfte zu werden.
In der anschließenden Diskussion standen vor allem die Fragen „Was ist Gemeinwohl?“ und „Wer definiert Gemeinwohl?“ im Fokus. Doch interessierten sich die Zuhörer*innen auch für Unterschiede zu anderen CSR-Tools und warum sich ein Unternehmen untern den verschiedenen Werkzeugen für die Gemeinwohlmatrix entscheiden sollte.
Frau Häußler schloss mit einem Appell an die Studierenden, so könne jeder einen Unterschied machen und zum Gemeinwohl beitragen, sei es nun durch die Auswahl von Produkten oder die Wahl des Arbeitsgebers um nur einige zu nennen.