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Klimaneutralität – Die grundgesetzliche Verpflichtung des Staates zu Klima- und Umweltschutz

So lange Staaten und Unternehmen Klimaschutzziele nicht erfüllen, sind Rechtsmittel eine gute Möglichkeit, sie an ihre Verantwortung zu erinnern und zum Handeln zu bewegen. Diese Kernbotschaft belegte Dr. Roda Verheyen in ihrem Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit eindrucksvoll. Die Rechtsanwältin und Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht referierte am 25.11. über die Verpflichtung des Staates, Klima und Umwelt zu schützen und beantwortete viele spannende Fragen der rund 100 Zuhörer*innen, die der Ringvorlesung in Alfaview und dem Youtube-Kanal des Instituts für Industrial Ecology und der Studiengänge Life Cycle & Sustainability und BWL/Ressourceneffizienzmanagement folgten.
Die Ambitionslücke als Grundlage von Klimaklagen
Die Ambitionslücke ist Dr. Verheyens Antwort auf die Frage, warum es weltweit Klimaklagen gibt. Noch immer sind die zugesagten Beiträge der Vertragsstaaten des Pariser Abkommens zu niedrig, um die gesetzten Ziele zur Begrenzung der Erderwärmung zu erreichen. Diese Ambitionslücke war Gegenstand der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht, an der die Referentin maßgeblich beteiligt war. Die von ihr vertretenen Kläger beriefen sich auf die im Grundgesetz verankerten Grundrechte Menschenwürde, Gesundheit und Leben, Berufsfreiheit und Recht auf Eigentum in Kombination mit der Staatszielbestimmung Umweltschutz in Artikel 20a des GG. Im März 2021 kam das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss, dass das deutsche Klimaschutzgesetz in weiten Teilen verfassungswidrig ist. Der Beschluss erkennt an, dass Klimaschutz ein Menschenrecht ist und es die Pflicht des Staates ist, innerhalb der physikalischen Grenzen des Treibhausgasbudgets Klimaneutralität herzustellen. Emissionsreduktionen dürfen nicht ungeplant in die Zukunft verschoben werden und die Transition zur Treibhausgasneutralität muss früh begonnen werden.
Klagen gegen privatrechtliche Akteure
Neben Staaten werden aber auch die Großemittenten unter den Unternehmen mit Klimaklagen konfrontiert. So haben diese eine Verkehrssicherungspflicht, Schaden möglichst zu vermeiden und müssen sich ebenfalls an ein nachvollziehbares Budget halten. Ihre zivilrechtliche Verantwortung erstreckt sich dabei über die selbst verursachten Emissionen hinaus.
Derzeit laufen zudem verschiedene Klimaklagen am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, deren Entscheidung noch aussteht.

Dr. Roda Verheyen ist Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht und Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Öffentliches Recht und Planungs- und Klimaschutzrecht in Hamburg. Sie hat in Hamburg, Oslo und London Rechtswissenschaften studiert und in Völkerrecht promoviert. Sie vertrat als Prozessbevollmächtigte Kläger/innen der so genannten Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Dr. Roda Verheyen (Bild: https://www.hamburgisches-verfassungsgericht.de/richter/roda-verheyen)