Kreativität online
News
Design-Studierende der Hochschule Pforzheim lernen digital
Der Ausnahmezustand ist zur Realität geworden: Die Menschen nehmen Social Distancing ernst, bleiben zuhause und organisieren ihr Leben in Zeiten einer Pandemie. Die Hochschule Pforzheim hat ihre Lehre bereits vor einer Woche in digitale Räume verlegt. In rund 200 virtuellen Hörsälen finden Vorlesungen und Projektarbeiten statt. Die Studierenden an der Fakultät für Gestaltung lernen ebenfalls anhand von Videokonferenzen und Online-Plattformen. Auch Angebote für Studieninteressierte finden digital statt – wie die kurz vor Bewerbungsschluss so wichtige Mappenberatung, bei der Bewerber Tipps zu ihren Zeichnungen erhalten.
„Die Mappenberatung ist ein wichtiges Instrument unseres Hochschulmarketings, es war selbstverständlich für uns, sie online anzubieten“, sagt Dekan Professor Johann Stockhammer. Nachdem alle Veranstaltungen abgesagt werden mussten, hatte sich die Fakultät schnell entschieden, digital zu beraten. Das Angebot wurde sehr gut genutzt und ermöglichte eine Kommunikation über die Landesgrenze hinaus: Es wurden Zeichnungen aus Asien und Südamerika eingereicht. Matthias Kohlmann, Professor für Zeichnung, hat die Schüler am Telefon beraten. „Im Prinzip läuft es wie auch sonst: Wir sehen die Zeichnungen und geben Feedback und Verbesserungsvorschläge“, berichtet Kohlmann. „Wenn wir in der Fakultät beraten, dürfen alle Gäste alle Zeichnungen sehen und können so erkennen, wo sie selbst stehen. Dieser Vergleich fehlt in der digitalen Variante, aber dafür kommt man sehr schnell auf den Punkt.“ Karen Leong hat die telefonische Mappenberatung in Anspruch genommen. Für sie war dieser Termin sehr wichtig, denn sie will sich zum Wintersemester bewerben und war auf letzte Einschätzungen ihrer Zeichnungen angewiesen. „Ich bin sehr froh, dass es diese Möglichkeit gab“, berichtet die 19-Jährige. „Ich finde das Angebot sehr gut, denn es hat auch Vorteile: Man muss nicht so weit fahren und die Beratung geschieht ganz konzentriert ohne Ablenkung.“ Die Günzburgerin macht gerade ihr Fachabitur und wird ihre Bewerbung Ende April einreichen. „Bis dahin habe ich noch Zeit, die Empfehlungen von Herrn Kohlmann umzusetzen.“
Zu Beginn dieser Woche hat die Lehre an der Fakultät für Gestaltung begonnen – komplett digital. Studiendekan Professor Thomas Gerlach, der die digitale Lehre für die Gestalter federführend organisiert hat, sieht die Krise als kreative Chance. „Gerade komme ich aus einem meiner virtuellen Workspaces, dort habe ich die letzten Materialien geladen. Morgen früh werde ich mich mit 40 Studierenden dort treffen und ‚live’ unterrichten. Wir können uns sehen, diskutieren, Präsentationen anschauen und uns in Gruppenräume aufteilen, um individuell an Aufgaben zu arbeiten. Die Fakultät hat sich in Windeseile und mit viel Kreativität digitalisiert. Wir sind mit den Studierenden im vollen Umfang arbeitsfähig.“ Der Semesterstart ist damit geglückt. „Natürlich fehlen uns die Werkstätten und die haptischen Erfahrungen beim Gestalten, aber auch dafür werden wir sicherlich noch kreative Lösungen finden", so Gerlach.
Rund 350 Veranstaltungen finden nun digital statt. Mehr als 80 Lehrende und mehr als 800 Design-Studierende arbeiten über die digitale Plattform der Fakultät. Dort erhalten sie ihre Skripte, finden Aufgabenstellungen und reichen Arbeiten ein. Die digitale Form des Unterrichts generiert auch andere Methoden: Professorin Dr. Evelyn Echle zum Beispiel interagiert in ihrer Vorlesung zur Medientheorie mit den Studierenden: Von welchen Medien sind Sie umgeben und wie sehen Sie Vor- und Nachteile davon? – war eine Ausgangsfrage. Gepostet wurde eine Vielzahl von Fotos mit Büchern, Zeitschriften, aber auch einer Posaune oder einem Plattenspieler, mit denen die Studierenden zuhause arbeiten.
Auch die Studierenden sind sehr schnell auf die digitale Lehre umgestiegen. Viele empfinden den digitalen Semesterstart als Wohltat, um der Zeit wieder mehr Inhalt zu geben. Ganz besonders wichtig ist das für die Design-Studentin Vivian Manzardo. Die gebürtige Südtirolerin war während der vorlesungsfreien Zeit zu Besuch bei ihren Eltern – und kam nicht wieder zurück nach Pforzheim. „Ich bin sehr froh, dass die Vorlesungen angefangen haben, es tut gut, eine Aufgabe zu haben. Anfangs war es ein bisschen verwirrend, bis ich alle meine Seminare online gefunden hatte, aber mittlerweile komme ich gut klar.“ Bei all den Vorteilen des E-Learnings vermisst sie den echten Raum, die Professorinnen und Kommilitonen. „Die Lage ist im Moment sehr ernst in Italien, obwohl es in Südtirol nicht halb so viele Fälle wie in der Lombardei oder in Venetien sind. Trotzdem ist es nicht so leicht: Wir sind seit 20 Tagen in Quarantäne, wir dürfen nur raus für Einkäufe, wenn man zur Arbeit geht oder mit dem Hund vor die Tür muss. Wir dürfen uns maximal 200 Meter vom Wohnort entfernen. Man muss die Tage irgendwie voll kriegen, irgendetwas finden, um sich die Zeit zu vertreiben“, erzählt die Schmuck-Studentin. Neben dem Online-Unterricht macht sie einmal am Tag Sport, spielt Gitarre und Ukulele und zeichnet viel. „Das Wichtigste ist, sich eine Struktur zu geben. Nicht allzu lange zu schlafen und Sport zu treiben. Damit kann man sich auch besser konzentrieren“, rät sie ihren Kommilitonen in Pforzheim. Bis zum Wiedersehen mit dem Pforzheimer Studienalltag wird noch Zeit vergehen, solange funktioniert Gestaltung auch digital.