Internationalization @home: Gastprofessorin aus Südafrika
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Prof. Claude-Hélène Mayer: hybrides interkulturelles Management
Von Pforzheim nach Südafrika – ohne den eigenen Schreibtisch zu verlassen: Angehende Wirtschaftsingenieurinnen und -ingenieure der Fakultät für Technik der Hochschule Pforzheim trafen im aktuellen Wintersemester auf eine Gastprofessorin aus Südafrika: Claude-Hélène Mayer, die an der renommierten University of Johannesburg im Bereich Industrial and Organisational Psychology lehrt und forscht, führte für die Bachelorstudiengänge „Wirtschaftsingenieurwesen/ International Management“ sowie „Wirtschaftsingenieurwesen/ Innovation und Design“ die Online-Kurse „Intercultural Engineering“ sowie „Cross Cultural Management 1“ durch.
Etwa 60 Studierende im dritten und sechsten Semester nutzten die Chance der „Internationalization @home“: „Wir konnten so eine niedrigschwellige Möglichkeit schaffen, den Studierenden eine internationale Erfahrung zugänglich zu machen; unabhängig davon, ob diese sich ein Auslandssemester vielleicht nicht leisten oder aus anderen Gründen nicht umsetzen können“, so die Pforzheimer Professorin Jasmin Mahadevan, Expertin für internationales und interkulturelles Management, die ihre Kollegin aus Südafrika als Gastprofessorin im virtuellen Hörsaal gewinnen konnte.
Ziel der Veranstaltung Cross-Cultural Management 1 war es, die Frage zu beantworten: „Was kann ich selbst von den Stilen von Fach- und Führungskräften aus anderen Ländern lernen?“ In Fünfer-Teams reflektierten die Studierenden ihre eigene, oftmals bikulturelle, Prägung, deckten die Diversität im Team auf und generierten hieraus Mehrwerte für das eigene Führungsprofil. Sie verglichen die so erstellte „Führungs-Landkarte“ mit den Führungsstilen anderer Länder und identifizierten Herausforderungen und Chancen für die eigene Weiterentwicklung als zukünftige Fach- und Führungskräfte. „Mein Lehransatz ist es, das eigene Wissen einzubringen und in der Gruppe zu mehren“, so die Expertin. „Ich konnte aus dem afrikanischen Kontext erzählen, wie Management hier erfolgreich funktioniert. Ein weiterer Schwerpunkt war China, also Umgang in chinesischen Organisationen auf dem globalen Markt.“
„Die Gefahr, dass Remote Learning am Bildschirm zum Kinomodus führt, ist groß. Ich konnte dies jedoch methodisch und didaktisch auffangen, indem wir mit einer hochmotivierten Studierendengruppe über viele Wochen hinweg wirklich angeregt und intensiv diskutiert und gearbeitet haben“, so Claude-Hélène Mayer. Der gemeinsame Diskurs über kulturelle (Management-)Identitäten und darüber, wie diese sich zusammensetzen, erfolgte mit ungewöhnlichen Methoden: Die Studierenden mussten auch singen, Bilder malen, Theater spielen oder Pantomime präsentieren – „als Übung, für den Fall, dass man bei Verhandlungen mit Geschäftspartnern aufgrund von Sprachbarrieren auch nonverbale Kommunikation gezielt und professionell einsetzen muss“, so die Professorin. „Damit haben wir selbstgesteuertes Lernen zum Thema Internationale Führungskompetenz umgesetzt“, so Jasmin Mahadevan, die wie Professorin Mayer über langjährige Erfahrung bei der Entwicklung von internationalen und multikulturellen Führungsteams in Unternehmen verfügt.
Professorin Claude-Hélène Mayer war erstmals 2009 und seither immer wieder als Gastprofessorin am Pforzheimer Campus – nun pandemiebedingt erstmals virtuell. Sie hält drei Doktortitel in Management, Psychologie und Ethnologie und forscht seit 2005 in den Bereichen Interkulturelles Konfliktmanagement und Mediation, Frauen in Führung in interkulturellen Kontexten, Vierte industrielle Revolution international und Emotionen am Arbeitsplatz. Seit 21 Jahren ist Claude-Hélène Mayer darüber hinaus als Trainerin und Coach am Institut für Interkulturelle Praxis und Konfliktmanagement (IIPK) als Beraterin für internationale Wirtschaftsunternehmen aktiv. Sie berät schwerpunktmäßig Unternehmen der Automobil-, Transport-, Engineering- und Chemiebranche in Fragen der Führung, der Teamentwicklung und der interkulturellen und internationalen Zusammenarbeit. Weiterhin ist sie Mitherausgeberin der Fachjournale Frontiers in Psychology und International Journal of Cross Cultural Management. Sie engagiert sich ehrenamtlich für unterschiedliche Organisationen und Initiativen in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Bildung, Katastrophen und humanitäre Hilfe.
„Jemanden mit diesem Arbeitsaufkommen und dieser Expertise aus dem Ausland für unsere Studierenden gewinnen zu können, wäre unter normalen Bedingungen – und in Präsenz – sehr schwierig. An dieser Stelle ist die zunehmende Digitalisierung und der Wandel hin zu virtuellen, hybriden Formaten auch eine große Chance“, so Jasmin Mahadevan.
Die Lehrveranstaltung Cross-Cultural Management erfolgte im hybriden Design: Professorin Mayers Online-Lehre wurde ergänzt durch das Angebot einer Vorort-Betreuung in Pforzheim durch Iuliana Ancuța Ilie, Junior-Forschungsreferentin am Institut für angewandte Forschung der Hochschule Pforzheim und Lehrbeauftragte für Interkulturelles und Internationales Management. „Das war uns wichtig, um den Kontakt mit den Studierenden zu halten, gerade in den unteren Semestern“, so Professorin Mahadevan.
Aus Sicht der Expertinnen ist ein solches hybrides interkulturelles Management fast schon die Regel in heutigen Unternehmen. Was sich auch geändert hat, sei der Fokus des Faches, so das Expertinnen-Duo. Heute sei der Ansatz:
„Egal wo ich bin, habe ich kulturelle Vielfalt. Man muss nicht mehr physisch Ländergrenzen überqueren, um sich in einer diversen Gruppe wiederzufinden. Und der Fokus liegt nicht mehr auf Konflikten, sondern auf Potentialen, die es zu nutzen gilt: Wie bereichern wir uns? Wie ergänzen wir einander? Und genau das haben wir mit der Veranstaltung auf realistische Art und Weise für die Studierenden umgesetzt."
Die Professorinnen Mahadevan und Mayer bearbeiten diese Themen nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Forschung. Gemeinsam mit Professorin Anna Bos-Nehles (Universität Twente, Niederlande) und Professor Jawad Syed (Universität Lahore, Pakistan) gehen sie ganz grundsätzlich der Frage nach, wie eine hybride Arbeitswelt nach COVID-19 aussieht. Hierzu leiten sie auf der diesjährigen Jahreskonferenz der European Academy of Management (EURAM) eine Konferenzsparte und geben außerdem eine Sonderausgabe des „International Journal of Human Resource Management“ heraus. Beide Aktivitäten wurden zuvor von internationalen Gutachter:innen anonym begutachtet. „Aus den eingereichten Forschungspapieren erhoffen wir uns jeweils ein besseres Verständnis und Grundlagenerkenntnisse über die globale Arbeitswelt nach COVID-19 und die daraus resultierenden Folgen für Arbeitskräfte und Unternehmen“, so Professorin Jasmin Mahadevan, die bereits in ihrer Doktorarbeit 2007 virtuelle Zusammenarbeit im Ingenieursbereich untersucht hat und seitdem am Thema Virtuelle Teams forscht. Die entwickelten Ergebnisse sollen zurück in die Lehre im Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Pforzheim einfließen.
Spätestens im Wintersemester 2022/2023 wird das Professorinnen-Duo das in diesem Herbst erfolgreich umgesetzte internationale hybride Lehrangebot erneut im Pforzheimer Wirtschaftsingenieurwesen anbieten.