Brauchen wir ein Strafrecht für falsche Klimabilanzen?
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Ein brisantes Thema hat Umweltwissenschaftler Professor Dr. Mario Schmidt von der Hochschule Pforzheim bei der öffentlichen Konferenz „Ressourceneffizienz und produktionsintegrierter Umweltschutz“ präsentiert. Viele Klimabilanzen oder Carbon Footprints seien das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, fasste der Wissenschaftler seine Erfahrungen zusammen. Trotzdem werde damit öffentlich geworben, insbesondere für die Klimaneutralität von Produkten, von Unternehmen oder sogar von Städten und Regionen. „Ich kenne kein einziges klimaneutrales Produkt oder Unternehmen“, so Schmidt. „Das sind nur fiktive Ergebnisse der Berechnung, der Zurechnung, von Umbuchungen oder Kompensationen. Allein schon wenn ein Produkt in den Supermarkt transportiert wurde, trägt es einen Klimarucksack mit sich, auch wenn es aus der Natur stammt.“ Die Konferenz begann am 23. Mai in Mainz unter Beteiligung von Umweltministerien aus mehreren Bundesländern.
Der Wissenschaftler erläuterte in seinem Vortrag, welche Faktoren die Berechnung einer Klimabilanz beeinflussen. Demnach gebe es in den bisherigen Bilanzierungsregeln zu viele Spielräume, Annahmen zu treffen. Das erschwere die Vergleichbarkeit und verschleiere oft die wahren Emissionen. Ein Beispiel seien die unterschiedlichen Bilanzgrenzen: Werden die Lieferanten eines Unternehmens mitberücksichtigt oder nicht? Werden die Emissionen außerhalb Deutschlands eingerechnet oder nur die auf deutschem Boden? Dann sei oft auch nicht geklärt, woher die Daten kommen und wie ihre Qualität gesichert wurde. „Selbst unter Beratern herrscht hier häufig völlige Ahnungslosigkeit – im wohlwollendsten Fall“, meinte Schmidt. Die bisherigen Berechnungsstandards lassen zu viele Punkte offen und es fehlt an belastbaren Daten, der viel zitierten Digitalisierung zum Trotz.
Bei den Klimabilanzen sieht er Parallelen zum Wirtschaftsbereich. Dort sei es strafbar, wenn eine Unternehmensbilanz nicht korrekt ist. Denn dadurch werden die Aktionäre geschädigt oder der Staat erhält geringere Steuereinnahmen. Im Klimabereich seien die Auswirkungen viel größer, aber es gebe keine Konsequenzen. Schmidt forderte: „Wir brauchen klare und eindeutige Regeln, wie bilanziert und wie gekennzeichnet wird. Und wir brauchen Sanktionen, wenn bei der Klimabilanz und dem damit verbundenen Marketing geschummelt, geschönt oder verschleiert wird.“