Workplace of the future – wie arbeiten wir nach COVID?
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Remote work, das unabhängige Arbeiten jenseits des Firmenbüros sowie der kollegiale Austausch in virtuellen Teams, gehört mehr und mehr zum beruflichen Alltag. Diese Arbeitsform erfolgreich zu meistern, ist eine Schlüsselkompetenz der Arbeitswelt der Zukunft. Inwieweit und in welchen Aspekten kann diese Transformation der Fernarbeit den nächsten Paradigmenwechsel im internationalen Personalmanagement (International Human Resource Management (IHRM)) einleiten? Diesen Fragen geht Professorin Jasmin Mahadevan, die in den Bachelorstudiengängen des Wirtschaftsingenieurwesens an der Fakultät für Technik der Hochschule Pforzheim lehrt, im Forschungsprojekt „COVID-induced virtual teams“ nach.
Eine von ihr geleitete Konferenzsparte auf der diesjährigen internationalen Jahreskonferenz der European Academy of Management (EURAM), der größten Management-Konferenz Europas, in Zürich sowie eine Sonderausgabe der Zeitschrift für Internationales Personalwesen (International Journal of Human Resource Management) sind erste Ergebnisse des Projekts. Hierzu arbeitet die Pforzheimer Professorin in einem internationalen, interdisziplinären wissenschaftlichen Team mit Professorin Claude-Hélène Mayer vom Institut für Organisationspsychologie der Universität Johannesburg (Südafrika), Professorin Anna Bos-Nehles vom Institut für Personalmanagement an der Universität Twente (Niederlande) und Professor Jawad Syed von der Lahore School of Business (Pakistan) zusammen.
„Beispielsweise haben Professor Syed und ich, gemeinsam mit Kolleginnen aus Pakistan und Großbritannien, die Auswirkungen von COVID auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für berufstätige muslimische Frauen in pakistanischen Großfamilien untersucht. Diese Ergebnisse vergleichen wir nun mit den Aussagen der deutschen Studienteilnehmerinnen. So wird sichergestellt, dass unsere Erkenntnisse sowohl unter lokalen, als auch unter globalen Gesichtspunkten relevant sind“, gewährt die Expertin für interkulturelles Management einen beispielhaften Einblick in eines von zahlreichen Arbeitspaketen im Rahmen des Forschungsprojekts.
Auch Pforzheimer Studierende des Wirtschaftsigenieurwesens (WI) tragen mit eigenen Arbeiten kontinuierlich zum wissenschaftlichen Projekterfolg bei. Unter anderem legten die Abschlussarbeiten der WI-Absolventen Tobias Reichert (zum Strategieprozess in virtuellen Teams, 2020) und Jakob Steinmann (zu Kultureller Intelligenz, 2021) sowie weitere studentische Arbeiten die Basis für die empirische Forschung, die von 2021 bis 2022 in zwei Phasen durchgeführt wurde. Insgesamt fünf Absolventinnen und Absolventen des Wirtschaftsingenieurwesens befragten 50 Fach- und Führungskräfte in deutschen Industrieunternehmen zu den Schwierigkeiten, Herausforderungen und Chancen des Wandels der Post-Covid-Arbeitskultur hin zu hybrider Teamarbeit und zum Arbeitsplatz der Zukunft.
Im Rahmen der Themensparte „The remote work transformation“ präsentierten auch die Absolventinnen Lisa Bacher (Covid-induced virtual work: insights on perceived organizational membership) und Annabelle Stärkle (Leadership in Covid-induced virtual teams: empirical insights from the german industrial sector) jeweils die Ergebnisse ihrer Abschlussarbeiten. „Das ist für eine Bachelorthesis absolut ungewöhnlich und zeigt die Qualität des internationalen Wirtschaftsingenieurwesens (WI) an der Hochschule Pforzheim“, erklärt Jasmin Mahadevan – und ergänzt: „Hierzu haben Frau Stärkle und Frau Bacher qualitative Interviews mit Expertinnen und Experten aus der Industrie geführt.“ Die auf der EURAM eingereichten Forschungspapiere werden doppelt-blind begutachtet, erfüllen also höchste Qualitätsstandards wissenschaftlicher Publikationen. Ebenfalls erfüllt hat diese Standards das eingereichte Forschungspapier auf Basis der Bachelorthesis von Jakob Steinmann zum Thema "cultural intelligence in COVID-induced virtual teams", das Jasmin Mahadevan vorstellte.
Der Fokus des qualitativen Forschungsprojektes „COVID-induced virtual teams“ liegt auf dem Aufzeigen neuer Erklärungsansätze und -Muster. „Ganz generell dient qualitative Forschung dazu, herauszufinden, welche Fragen zu stellen sind, so dass sichergestellt ist, dass zukünftige Maßnahmen auch wirklich am richtigen Problem oder Zusammenhang ansetzen.“ Hierzu wurden zuerst die theoretischen Grundlagen definiert, auf deren Basis dann die empirische Forschung ansetzte.
Weitere Ergebnisse sowie die Sonderausgabe des International Journal of Human Resource Managements werden 2023 bzw. 2024 veröffentlicht. Ein Lehrbuch zum Thema „Virtual Team Collaboration“ für Bachelor-Studierende erscheint 2023 bei Springer. „Damit ist sichergestellt, dass die Ergebnisse des Projekts breit in Wissenschaft und Praxis gestreut werden“, so Professorin Mahadevan.
„COVID-induzierte virtuelle Arbeit verändert und diversifiziert die Bedürfnisse des Einzelnen und erfordert eine Neujustierung des psychologischen Vertrags. Wie zugehörig ich mich meiner Organisation fühle, ist sehr unterschiedlich und hängt davon ab, wie gut Unternehmen diese Neuanpassung bewältigen, insbesondere in Bezug auf die wahrgenommene organisatorische Unterstützung. COVID-induzierte virtuelle Arbeit erhöht die psychologische Eigenverantwortung des Einzelnen für die Organisation, verringert jedoch den wahrgenommenen Insider-Status auf Organisationsebene.“
Lisa Bacher
„Führungskräfte sind nach Covid nicht mehr nur als Manager, sondern vor allen Dingen auch als Coaches gefragt. Das Bedürfnis der Teammitglieder nach Empathie ist gestiegen. Es ist außerdem essenziell, anzuerkennen, welch ungleiche Bedingungen das Arbeiten im jeweiligen Zuhause für Teammitglieder mit sich bringt.“
Annabelle Stärkle
Die Absolventinnen selbst sehen sich für ihr bevorstehendes Berufsleben bestens vorbereitet: „Das internationale Wirtschaftsingenieurwesen eröffnet uns von Pforzheim aus den Weg in die Welt – die Kombination aus wirtschaftlichen und technischen Zusammenhängen gepaart mit internationaler Managementkompetenz ist ideal, um sich in international agierenden Unternehmen vielseitig einbringen zu können.“
„Kulturelle Intelligenz, auch als Cultural Quotient (CQ) bezeichnet, ist ein entscheidendes Thema im Human Resource Management. Die Fähigkeit, kulturell ungewohnte Situationen – bedingt durch größere arbeitsbezogene Veränderungen – zu meistern, wird immer wichtiger. Sie trägt zur individuellen Leistung und zur Teamleistung bei und gilt allgemein als entscheidende Fähigkeit, beispielsweise für (virtuelle) Teamleiter.“
Jakob Steinmann
Das Ziel des von Jasmin Mahadevan auf der Konferenz vorgestellten gemeinsamen Konzeptpapiers ist es daher, Personalverantwortliche in die Lage zu versetzen, kulturelle Intelligenz in COVID-induzierten virtuellen Teams und darüber hinaus zu bewerten und zu entwickeln. „Insbesondere müssen künftig diejenigen Personen unterstützt werden, die trotz Krisenbedingungen einen hohen motivierenden CQ aufrechterhalten, da dieser in COVID-induzierten virtuellen Teams grundsätzlich niedrig ist“, gibt die Expertin einen vereinfachten Einblick in die gemeinsame wissenschaftliche Arbeit.
Virtuelle Zusammenarbeit ist seit Längerem ein Lehr- und Forschungsschwerpunkt der Pforzheimer Professorin. Bereits in ihrer Dissertation untersuchte sie die standortübergreifende Ingenieurszusammenarbeit im Forschungs- und Entwicklungsbereich eines multinationalen technischen Unternehmens. Im Masterbereich der Fakultät für Technik lehrt sie virtuelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit in der technischen Systementwicklung.