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Wie man die Arbeit in virtuellen Teams verbessert

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Außergewöhnliche Anerkennung: Wirtschaftsingenieurwesen-Bachelorthesis auf internationaler Konferenz  

 

Arbeit in virtuellen Teams gehört nicht erst seit Corona zum Alltag vieler Mitarbeitenden und Studierenden: Sie erfolgreich zu meistern, ist eine Schlüsselkompetenz der Arbeitswelt der Zukunft. Was aber prägt die Zusammenarbeit in virtuellen Teams, und wann ist sie strategisch? Also: Wann genau ist die Arbeit in virtuellen Teams denn effizient und effektiv, und wann dient sie der Erreichung des Unternehmens- oder Organisationsziels? Und: Was kann ich als Einzelperson tun, um an dieser strategischen Ausrichtung mitzuwirken?

Diese Fragen stellte sich Tobias Reichert in seiner Abschlussarbeit im Bachelorstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen/ International“ der Fakultät für Technik der Hochschule Pforzheim – und schaffte es damit bis auf die Jahreskonferenz der European Academy of Management (EURAM). „Das ist für eine Bachelorthesis absolut ungewöhnlich und zeigt die Qualität des internationalen Wirtschaftsingenieurwesens an der Hochschule Pforzheim“, so seine Betreuerin Professorin Jasmin Mahadevan. Die auf der EURAM eingereichten Forschungspapiere werden doppelt-blind begutachtet, erfüllen also höchste Qualitätsstandards wissenschaftlicher Publikationen.

 

In seiner Bachelorthesis fasste Tobias Reichert die existierenden Theorien und Konzepte zu globalen virtuellen Teams zusammen und ging insbesondere auf Vielfalt (diversity), Verstreutheit (dispersion) und Machtungleichgewichte (power) ein – drei Faktoren, deren optimale Steuerung als essenziell für erfolgreiche globale virtuelle Teams gilt. Hieraus leitete er Anforderungen für strategisches Handeln, das so genannte „strategizing“ ab. Strategizing meint einen Ansatz in der Strategie-Forschung, der Strategie als Praxis, also das Handeln vieler Personen, begreift (strategy as practice). „Strategie als Praxis kann dabei helfen, die Prozesse und Mechanismen, die in diesen Teams ablaufen, besser zu verstehen und dadurch auch zu ermöglichen, dass sie besser geführt werden können und im Endeffekt leistungsfähiger sind“, so Tobias Reichert.

Das heißt, Strategie wird nicht von oben vorgegeben, sondern durch alle Beteiligten „gemacht“. „Gerade in komplexen Organisations- und Unternehmenskontexten, zum Beispiel Netzwerken, globalen Lieferketten oder Joint Venture Partnerschaften, ist ‚strategy as practice‘ eine Richtung, die immer mehr an Bedeutung gewinnt“, sagt Professorin Jasmin Mahadevan, die in ihren Lehrveranstaltungen die theoretischen Grundlagen für diese Arbeit legte. „Strategie als Praxis ist immer dann wichtig, wenn es darum geht, das strategische Handeln vieler Personen aneinander auszurichten, und zwar in Arbeitskontexten, in denen eine einzelne Person nicht die Kontrolle übernehmen kann“. Dies sei virtuell der Fall, so die Expertin für internationale und interkulturelle Zusammenarbeit im Wirtschaftsingenieurwesen an der Fakultät für Technik.

Tobias Reicherts Bachelorthesis wurde im Jahr 2020 nicht nur mit der Bestnote 1,0 bewertet, sondern legte auch den Grundstein für eine weiterreichende wissenschaftliche Zusammenarbeit. Mit seiner Betreuerin schrieb er 2020 zunächst ein Buchkapitel zu strategizing im Customer Relationship Management im internationalen Investitionsgütermarketing (B-2-B). „Weil das so gut funktioniert hat, hat Frau Prof. Mahadevan mir vorgeschlagen, die Ergebnisse meiner Thesis in einem Forschungspapier zusammenzufassen“, so Tobias Reichert, der zu diesem Zeitpunkt bereits ein Masterstudium an der NOVA School of Business and Economics in Lissabon begonnen hatte. „Bei der Bewerbung hat es mir natürlich extrem geholfen, dass ich mich auf einen so zukunftsfähigen Aspekt der Zusammenarbeit spezialisiert hatte, das war ja eigentlich noch vor der COVID-Pandemie“.

Das gemeinsame Forschungspapier überträgt die zusammengefassten Erkenntnisse der Thesis auf andere Formen der virtuellen Zusammenarbeit, zum Beispiel die durch COVID entstandenen lokalen virtuellen Teams und wurde durch Tobias Reichert im Juni 2021 virtuell auf der EURAM Jahreskonferenz in der Sparte „International Management“ präsentiert: „Das war schon ein irres Gefühl, seine Forschung auf einmal vor Forscherinnen und Forschern aus der ganzen Welt vorzustellen, meistens sind das ja Leute, die schon promoviert haben oder gerade dabei sind.“

Die Gutachter lobten in ihrer Beurteilung vor allem die Empfehlungen für die zeitliche Strukturierung von strategizing in virtuellen Teams, also die Antwort auf die Frage: Wie viel Präsenz braucht ein virtuelles Team, wie oft und in welchen Abständen sollte diese stattfinden, und welche strategischen Ziele sollte ich in Präsenz verfolgen? Das Paper kommt dabei zu der Erkenntnis, dass virtuelle Zusammenarbeit für die Aufrechterhaltung und die Abarbeitung einer bereits existierenden Strategie problemlos möglich ist, dass jedoch punktuelle Episoden des „Strategie-Gebens“ nur in Präsenz stattfinden können und daher auch eingeplant werden sollten. Ausschließliche Präsenz ist nicht notwendig.

Professorin Jasmin Mahadevan wird „gerade auch im Hinblick auf die durch COVID hervorgerufenen Veränderungen der Arbeitswelt“ das Forschungsthema Virtuelle Teams weitervertiefen: Hierzu haben Studierende Interview-Daten erhoben, die zurzeit im Rahmen von vier Bachelorarbeiten und zwei interdisziplinären Projekten ausgewertet werden. „Wir rechnen mit Ergebnissen im kommenden Jahr“, so die Professorin, der komplexe virtuelle Zusammenarbeit aus der eigenen Praxiserfahrung vertraut ist.

Tobias Reichert absolviert aktuell ein Praktikum bei einer internationalen Strategieberatung. Von September bis Januar wird er sein Masterstudium in Lissabon beenden. Erste Auslandserfahrung sammelte er bereits während seiner Zeit an der Hochschule Pforzheim: Im Jahr 2019 absolvierte er ein Auslandssemester an der Shanghai University of International Business and Economics. Auch in seiner Masterthesis wird er sich mit Führung und Strategie beschäftigen: „Für mich ist klar, dass ich auf diesem Weg weitermachen will".

Weiterlesen: Kapitel „Interkulturelle Strategien für erfolgreiches Customer Relationship Management" (in „International Business Development")