Von Sinfonien, die gar keine sind, bis zur ganz großen Sinfonia
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Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim verwandelt Audimax in großen Konzertsaal
Dass Kammerorchester eine kleinere Orchesterbesetzung verkörpern, ist bekannt. Dass kleinere Orchester groß aufspielen können auch. Wie großartig eine solche Besetzung in einem Hochschulhörsaal klingen kann, war vielen Besuchern am Mittwochabend im Audimax der Hochschule Pforzheim vor Konzertbeginn nicht klar. „Da bin ich mal gespannt“, war mehrfach in den voll besetzten Sitzreihen des Walter-Witzenmann-Hörsaals zu vernehmen. Ein akustisches Feuerwerk klassischer Musik war die eindeutige Antwort des Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim bei ihrem „Campus Classic Concert“ zum Abschluss des Studium Generale. Vom ersten Satz an.
Der Abschluss des Studium Generale im Sommersemester 2022 ist ein wahrlich besonders klangvoller. Dieser 1. Juni 2022, umrahmt vom attraktiven Kennenlernprogramm des Vereins der Förderer und Alumni der Hochschule Pforzheim e.V., der Gästen unter dem Motto „Freunde bleiben“ Führungen in der Hochschule organisierte und dieses Konzert erst ermöglichte, wird noch lange in Erinnerung bleiben. Punkt 19 Uhr übergibt die wissenschaftliche Leiterin, Professorin Dr. Christa Wehner, mit ihrer Begrüßung den Taktstock an Chefdirigent Douglas Bostock und sein Ensemble. Bostock, eloquent und charmant mit viel Witz moderierend, dirigiert nicht nur sein Orchester, sondern bringt dem Publikum, gespickt mit vielen persönlichen Bemerkungen und Anekdoten, auch die Komponisten hinter den gespielten Werken näher. Wissenswert und hörenswert, wie es sich für ein Studium Generale im besten Sinne ziemt.
Zu hören sind an diesem Abend Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Ruth Gipps, Malcolm Arnold und Joseph Haydn. Und zu jeder Komponistin und jedem Komponisten hat Bostock reichhaltig zu erzählen. Dass Mozart nicht nur sehr erfinderisch gewesen sei, sondern auch chronisch in Geldnot. Und dass er deshalb aus einer sinfonischen Basis immer wieder neue Variationen erdachte, für die er, gewinnbringend, ein Publikum fand. Und dass diese erste Sinfonie, die an diesem Abend erklingt, genau genommen gar keine sei. Weil sie lediglich aus zwei Teilen bestehe.
Der Audimax der Hochschule erweist sich als überraschend guter Resonanzkörper für das Campus Classic Concert. Bis in die letzten Reihen oben unterm Dach entfaltet sich der Klang mit all seinen Feinheiten und seiner Dynamik. Das Orchester ist, nicht zuletzt von Bostock inspiriert, in Höchstform angetreten. Es ist immer leicht, als Veranstalter auf das selbst organisierte Spektakel das Hohelied des Lobes anzustimmen. Doch unbestritten erleben die Gäste ein echtes Klangwunder.
Ein Erlebnis, das sich im Laufe des Abends steigert. Beginnt der Abend noch verspielt mit Mozart, nimmt er weiter Fahrt auf. Nach einer, die eigentlich gar keine ist, kommt mit Sir Malcom Arnolds „Sinfonietta Nr. 1“ eine kleine Sinfonie zu Gehör. Arnold, vor allem bekannt als Komponist der Filmmusik zu „Die Brücke am Kwai“, hat in seinem Leben allein zu 45 großen Kinofilmen die Musik beigesteuert. Douglas Bostock hat ihn persönlich getroffen und berichtet dem Publikum eindrucksvoll davon. Ebenso eindrucksvoll spielt das Orchester dann auf. Insbesondere die Oboe sticht bei diesem Stück hervor. Bei Ruth Gipps´ „Cringlemire Garden“ sind es die Streicher, also das Grundgerüst des Orchesters, die glänzen. Kurzum: meisterliches Zusammenspiel.
Der sinfonische Höhepunkt kommt gegen Ende, als Joseph Haydn mit einer ganz großen Sinfonie an der Reihe ist. Passend zum Schluss spielt das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim die Sinfonie Nr. 57, die Haydn während seiner Zeit als Kapellmeister am Hofe Fürst Esterházys komponierte. Bostock bezeichnet deren letzten Satz als „virtuosen Kehraus“ und verspricht dem Publikum nicht zu viel.
Diese in vielerlei Hinsicht ungewöhnliche Sinfonie beendet ein in vielerlei Hinsicht ungewöhnliches Studium Generale und setzt einen klangvollen Schlusspunkt unter das erste Campus Classic Concert und das Sommersemester 2022. Ein Ausrufezeichen, das mit tosendem Beifall quittiert wird und dessen Geist noch bis zum späten Abend beim gemeinsamen Schwelgen und einem Glas Wein nachklingt.