Von Experimentierfreude und „offener Fehlerkultur"
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Es ist einer der am meisten verwendeten Begriffe. In Zeiten der Corona-Pandemie ohnehin. Innovation. Mehr denn je angesagt, mehr denn je ist es aber auch notwendig, den Begriff mit Leben und greifbaren Inhalten zu füllen. Und das wird er beim ersten gemeinsamen, virtuell angebotenen Innovationstag der Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald (WFG) in Zusammenarbeit mit der Hochschule Pforzheim. Ob das laut WFG-Geschäftsführer Jochen Protzer erklärte Ziel des Mutmachens bei den knapp 160 Teilnehmern wirkt ist schwer messbar. Ihm fehle, so sagt er, das Ablesen der Reaktionen an den Gesichtern. Die Wortmeldungen im Chat freilich sind lebhaft, was auch Zeugnis gibt von der hohen Beteiligung von knapp 160 Teilnehmern. Die im Übrigen auch so groß bleibt, die Teilnehmer klinken sich nicht aus. Ein Rückblick auf die Historie der Innovationen samt dem jetzt anstehenden Wechsel der Industrialisierung zur Digitalisierung gibt Keynote-Speaker Rafael Laguna de la Vera von der Bundesagentur für Sprunginnovationen als Einstimmung ins Thema.
Nötiges Rüstzeug, um sich auf den Weg in eine innovative Zukunft machen zu können erhalten die Interessenten – von den Moderatoren Herbert Wackenhut (bei der WFG für das regionale Innovationsmanagement „RegioINNO“ zuständig) und Professor Dr. Claus Lang-Koetz von der Hochschule Pforzheim jedenfalls ausreichend in Form von Impulsvorträgen, einer Podiumsdiskussion sowie der Möglichkeit, sich in Workshops über Barrieren, Provokation, aber auch Hands-Out zum Testen von Geschäftsideen oder Innovationsmanagement aktiv einzubringen. Es handelt sich dann auch keineswegs um eine Worthülse, wenn Hochschul-Rektor Professor Dr. Ulrich Jautz davon spricht, dass Innovation an der Hochschule Pforzheim großgeschrieben wird – die vor dem Workshop-Block vorgestellten Projekte seiner Einrichtung belegen diese Aussage. Jautz gibt zudem dem ehemaligen Bundespräsidenten Herzog recht, der behauptete, dass Innovation „über unser Schicksal entscheidet“.
Es ist viel die Rede davon, „es zuzulassen“, Räume (auch tatsächliche) zu schaffen, freiwerdende Ressourcen etwa in die Gründung einer Innovationsabteilung zu stecken; das Wort Experimentieren fällt. Klar wird aber auch im Rahmen eines umfangreichen Innovationstages mit jeder Menge „Input“: Die verkrusteten hierarchischen Strukturen sind nicht innovativ. Die Zeiten, in denen sich Firmenchefs hinter massiven Schreibtischen verschanzen passen nicht zu diesem Schritt in die Zukunft, das machen alle Redner deutlich. „Innovation kommt von unten, man muss es nur zulassen“, sagt etwa der Geschäftsführer der inovex GmbH Stephan Müller. Exzellent und damit wettbewerbsfähig zu bleiben habe sein Unternehmen unter anderem durch die frühe Einbindung des akademischen Nachwuchses.
Weiter nennt er: „Recruiting ohne Kompromisse“, hohe Investition in Research und Weiterbildung, Experimente und damit verbunden eine „offene Fehlerkultur“. Was die Mitarbeiter betrifft: „Wenn ich Vertrauen schenke bekomme ich Verantwortung zurück.“ Transparenz der Strategie am „Board“ – das Gegenteil von „im kleinen Kämmerchen vordenken“. Ein gewisses Wagnis muss man als Firmenchef also eingehen. „Mitstreiter suchen“ ist das laut Bernhard Schmidt (Global Head der Fresenius Kabi Deutschland GmbH) das Gebot der Stunde. Und diese könnten durchaus auch in anderen Abteilungen gefunden werden. Man müsse, so Professor Dr. Sven Schimpf, Geschäftsführer des Fraunhofer-Verbunds Innovationsforschung und Stiftungsprofessor des Institute for Human Engineering & Empathic Design (HEED) für Innovations- und Interdisziplinaritätsforschung an der Hochschule Pforzheim, sich davon verabschieden, dass Innovation sofort messbar sei oder gar eine exakte schwarze Zahl unter dem Strich sichtbar ist. „Innovation muss aus dem Unternehmen selbst kommen. Dafür gibt es keinen Vordenker.“
Konkrete Anhaltspunkte für den innovativen Weg werden gegeben, etwa von Professor Stephan Fischer von der Hochschule, der den allseits bekannten Begriff Designthinking (noch keine Idee vorhanden, offen), Canvas (konkrete Idee, Umsetzung, Visualisierung) und Scrum (klare Idee, Produktentwicklung) anspricht. Es gibt also viele Wege, Innovation umzusetzen. Und nichts ist laut Stephan Müller so beständig wie der Wandel. Das gilt. Gerade bei diesem Thema umso mehr. Eine Schablone anzulegen, die für alle Zeiten angewendet werden kann funktioniert also nicht. Das ist mit Sicherheit auch eine der wichtigen Erkenntnisse des Tages. Sein „Lieblingswiderstand“ bei der Umsetzung, sagt Bernhard Schmidt lachend, sei die Forderung der Geschäftsleitung nach einem Businessplan. Den gibt es nicht. Innovation heißt auch ein Stück weit: Unberechenbarkeit. Flexibilität. Ständig offen für Neues zu sein.