Ein Hoch auf den Spieltrieb
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Nora S. Stampfl: „Spiele ermöglichen Proberäume, die eine eigene Realität und Modellwelt besitzen“
Spiele sind weit mehr als bloße Spielerei. Für den „homo ludens“, den spielenden Menschen, sind sie ein Motor für Veränderung und Entwicklung, für Umwälzung und Innovation. Und sie ermöglichen ein effektives Arbeitsumfeld, wenn sie richtig eingesetzt werden. In ihrem Vortrag „Arbeit und Spiel – Die Ludifizierung der Arbeitswelt“ beim Studium Generale an der Hochschule Pforzheim hat Nora S. Stampfl aufgezeigt, wie sich die auf den ersten Blick gegensätzlich erscheinenden Bereiche Arbeit und Spiel annähern und wie sich Arbeit verändern kann, wenn „Spiel ins Spiel“ kommt. Nora S. Stampfl ist Gründerin des f/21 Büro für Zukunftsfragen und verfasste Bücher und zahlreiche Artikel zu diversen Zukunftsthemen.
Noch vor Jahrzehnten war Spaß am Arbeitsplatz förmlich verboten. Die Betriebsführung der Ford Motor Company war zum Beispiel der Überzeugung, dass Unterhaltung am Arbeitsplatz keinen Platz habe, sie nur der Produktivität in die Quere komme und tunlichst vermieden werden solle. Den Arbeitern müsse man die Anstrengung im Gesicht ablesen können, denn wer Zeit zum Lachen habe, arbeite nicht hart genug. Henry Ford selbst schreibt in seiner Biographie: „Wenn wir arbeiten, müssen wir ernst sein. Erst wenn wir fertig sind, haben wir Zeit für andere Dinge.“ Oder, wie wir sagen würden: Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Unter dem Schlagwort Gamification beobachten wir heute den Einzug des Spiels in den Alltag. „Sie alle begegnen spielerischen Elementen, wenn Sie zum Beispiel Punkte beim Einkaufen sammeln oder Apps nutzen, die den inneren Schweinehund besiegen sollen. Auch Unternehmen entdecken Spaß und Spiel zunehmend für sich. Sie sehen sie als wertvolle Ressource und nicht als störend an“, verdeutlicht Nora S. Stampfl. „Spielspaß wird zunehmend als Management-Instrument eingesetzt, um bei den Mitarbeitern Stress abzubauen, um die Teamzusammengehörigkeit zu fördern und um die Unternehmenskultur positiv zu beeinflussen“, so Stampfl weiter. Durch spielerische Elemente soll die Arbeit lohnenswerter und angenehmer werden. „Sie können klare Ziele setzen, die im Arbeitsumfeld nicht immer klar definiert sind, und Feedback in Echtzeit geben. Der Spieler, in diesem Fall der Mitarbeiter, weiß zu jeder Zeit, wie er sich gerade schlägt und ob er ‚auf dem richtigen Dampfer‘ ist, welche Missionen er noch vor sich hat und welchen Platz der Rangliste er einnimmt“, so Stampfl. Allerdings müsse es darum gehen, die Mitarbeiter zu motivieren und nicht darum, sie „an den Pranger zu stellen“.
Doch lässt sich Spiel inszenieren? „Ich bin nicht überzeugt davon, dass man einfach Punkte vergeben kann, um Menschen langfristig zu motivieren. Ich plädiere für einen umfassenden Blick auf das Spiel als soziales System“, sagt Stampfl überzeugt. Spiele sollten als Plattformen dienen, auf denen Kommunikation und Kollaboration zusammenkommen. Räume, in denen Denkprozesse möglich sind, Kreativität gefördert und die Außenwelt außer Kraft gelassen wird. „Wenn man Spiele auf diese Weise sieht, ermöglichen sie Proberäume mit einer eigene Realität und Modellwelt. Dort sind die Regeln der realen Außenwelt außer Kraft gesetzt und keine Konsequenten der Wirklichkeit zu befürchten“, verdeutlicht Stampfl abschließend, welche Möglichkeiten Spiele in der Arbeitswelt mit sich bringen können.
Das Studium Generale setzt sein Programm am Mittwoch, 5. Juni 2019, fort. Professor Dr. Mario Schmidt, Direktor des Instituts für Industrial Ecology (INEC) an der Hochschule Pforzheim, spricht über das Thema „Gehen uns die Rohstoffe aus? Ressourceneffizienz und nachhaltige Industriegesellschaft“. Der Vortrag beginnt wie gewohnt um 19 Uhr.