Medizintechnik: Studentin entwickelt modulares Konzept für ein Organtransportsystem
News
Dynamische Konservierung der menschlichen Leber im Rahmen der Transplantationsmedizin
Der steigende Organmangel und die zunehmende Verwendung von suboptimalen Organen für Transplantationen erhöhen den Anspruch im Bereich der Organkonservierungstechniken während des Organtransports. Aktuell werden in der Regel einfache Styroporboxen, befüllt mit zerstoßenem Eis, als Konservierungsmethode eingesetzt. Diese Kaltlagerung bietet jedoch nicht die hinreichenden Bedingungen, um Organe zu erhalten. Eine sichere und verbesserte Möglichkeit, um dies zu gewährleisten, ist der Einsatz von maschinellen Perfusionssystemen (MP) als dynamisches Konservierungsverfahren. Im Rahmen ihrer Abschlussarbeit im Bachelorstudiengang „Medizintechnik“ an der Fakultät für Technik der Hochschule Pforzheim entwickelte Rahel Dogan ein Konzept eines Organtransportsystems für die menschliche Leber, das nach Eintreffen des Spenderorgans im Transplantationszentrum an existierende Perfusionssysteme angeschlossen werden kann. „Eine optimierte Konservierung vor der Organtransplantation erlaubt neben der verbesserten Lagerung zusätzlich eine Verbesserung der Organqualität“, so Professor Dr. rer. nat. Tobias Preckel, der die Bachelorthesis wissenschaftlich betreute. „Frau Dogans Konzept zeigt auf, wie die sequentielle Anwendung von zwei verschiedenen Systemen mit Hilfe einer Schnittstelle gewährleistet werden kann.“
Bevor Rahel Dogan ihr Studium an der Hochschule Pforzheim begann, absolvierte sie ein freiwilliges soziales Jahr beim Rettungsdienst der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. Stuttgart. Nach wie vor ist sie dort aushilfsmäßig als Rettungssanitäterin im Einsatz und sammelte erste eigene Erfahrung mit dem Thema „Organtransport“. „Ich wusste, dass ich mich im Rahmen meiner Abschlussarbeit damit auseinandersetzen wollte; was gibt es noch nicht? Was könnte helfen? Im Gespräch mit einem Vertreter der Deutschen Stiftung Organtransplantation hat sich dann der Bedarf, Maschinenperfusionssysteme zu verbessern bzw. ihnen zu einer breiteren Anwendung zu verhelfen, herauskristallisiert“, so die Medizintechnik-Absolventin.
Rahel Dogans Themen-Idee war geboren: Die Kombination zweier Maschinenperfusionssysteme. Noch seien Maschinenperfusionssysteme in Deutschland nicht routinemäßig vertreten, so die Medizintechnikerin. „Ich wollte ein Konzept entwickeln, das die Vorteile der hypothermen mit den Vorteilen der normothermen Perfusion möglichst erfolgversprechend verbindet, Transport- sowie Lagerungsschäden reduziert und Kosten einspart.“ Bei der hypothermen Perfusion wird das Organ, gekühlt bei 0 - 8 Grad, im Behälter durch Kanülen mit einer Perfusionslösung kontinuierlich mit Puffern und Nährstoffen versorgt und gleichzeitig werden die Stoffwechselprodukte verdünnt und abtransportiert. „Dieses System ist klein, nicht zu schwer und gut für den Transport geeignet. Allerdings bedingt die kühle Lagerung einen reduzierten Stoffwechsel und ein allmähliches Absterben des Organs, so dass bei einer Transplantation Eile geboten ist.“ Als besseres und aktuell bestes MP-System gilt die normotherme Perfusion: Das Organ wird bei Raum- oder Körpertemperatur gelagert und kann so mit Hormonen und Medikamenten versorgt werden; vergleichbar mit einem Patienten, der intensivmedizinisch versorgt wird. Unter diesen nahen physiologischen Bedingungen kann das Organ viel länger konserviert werden. Die hierfür eingesetzten Geräte – Rahel Dogan entwickelte ihr Konzept mit Unterstützung eines entsprechenden Herstellers – sind allerdings sehr groß und sehr teuer.
„Nutzt man die hypotherme MP während des Transports, und kann im Transplantationszentrum dann anschließend die Vorteile der normothermen MP nutzen, wäre der Organqualität und der Überlebenschance des Patienten damit ein großer Dienst erwiesen“, so Dogan. Die Abstimmung und Anschlussfähigkeit der jeweiligen technologischen Funktionalitäten und medizinischen Notwendigkeiten dieses Ansatzes hat die Absolventin unter anderem mittels einer CAD-Zeichnung visualisiert und mittels 3D-Druck einen Geräte-Prototyp realisiert. Dieser enthält eine Leberschale – mit darunter liegendem Eisbehälter –, die herausnehmbar und in das im Transplantationszentrum vorhandene Gerät problemlos einsetzbar wäre. Die Medizintechnikerin bedachte im neben der Leberschale befindlichen Perfusionsdeck Vorrichtungen für einen Stoffwechselprodukte-Filter, eine Schlauchpumpe, um die Konservierungslösung in Bewegung zu halten, einen Luftblasendetektor – „denn Luftblasen in den Blutgefäßen können zur Embolie führen“ –, einen Druck-, einen Temperatur- sowie einen Durchflusssensor sowie ein Fach zur Mitführung von Blutproben. Im abschließenden Telefonat mit dem Transplantationsbeauftragten einer regionalen Klinik wurde ihrem Ansatz großes Potenzial bescheinigt.