Auf einen Kaffee mit Prof. Dr. Mike Barth
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Donnerstag, 11:45 Uhr im T2 Gebäude der Hochschule Pforzheim. Im vierten Stock verbirgt sich das Büro von Professor Dr. Mike Barth, der erste Techniker in unserer Interviewreihe – und auch der erste Cappuccino-Trinker.
Julia Budei: Professor Barth, vielen Dank für Ihre Zeit!
Mike Barth: Natürlich, ich bin gespannt!
Budei: Ich auch! Beschreiben Sie sich doch direkt einmal in drei Worten.
Barth: Drei Worte (eine etwas längere Pause folgt). Höflich, neugierig und „on fire“ – oder wie sag ich das anders? Ich habe viele Projekte und will etwas bewegen.
Budei: Wir schreiben „on fire“ einfach zusammen, dann gibt das ein Wort. In welchem Bezug meinen Sie „onfire“?
Barth: Ich habe gerne mehrere Themen parallel und will einfach, dass relativ viel in Bewegung ist. Ich möchte, dass wir als Hochschule weiterkommen, sowohl was Studenten und Studiengänge als auch was Forschungsprojekte betrifft und ich glaube, dass in manchen Bereichen das Potential noch nicht ganz ausgeschöpft ist. Ich habe eine innere Unruhe, die mich antreibt, Neues zu probieren und umzusetzen. Man muss aufpassen, dass man sich darin nicht verliert, aber ich bin der Meinung, dass das Pareto-Prinzip, wo es angewendet werden kann, gut tut.
Budei: Das hört sich so an, als würde Ihr Arbeitstag hier um fünf Uhr morgens beginnen.
Barth: Ach so? Ja, er beginnt auch manchmal um fünf Uhr morgens, aber nicht hier. Das ist das Schöne an meinem Beruf: Ich kann mit meinem Smartphone oder Tablet von überall auf der Welt arbeiten. Aber es passiert tatsächlich oft, dass ich sehr früh im Home-Office sitze, bis es dann lauter wird – das heißt bis meine zwei Lieben aufwachen, meine Kids. Und dann ist erst einmal Family-Time und wir frühstücken alle miteinander. Danach geht es dann aber weiter. Daher habe ich nicht den typischen Von-sieben-bis-sechzehn-Uhr-Tag. Dadurch arbeite ich aber auch signifikant länger.
Budei: Auch am Wochenende?
Barth: Ja, sicher!
Budei: Es gibt doch aber sicher auch Wochenenden, an denen Ihre Frau mal sagt: Und jetzt kommt das alles weg, oder?
Barth: Ja, ich arbeite nicht Samstag und Sonntag durch. Wir haben ein eigenes Haus, da muss noch Vieles gemacht werden. Sonntags ist Frei- und Familienzeit. Ich bin noch bei uns im Verein aktiv, im Fußballverein. Da gibt es den klassischen Sonntag, an dem finden Spiele statt und man muss einiges organisieren.
Budei: Sind Sie auch noch als aktiver Spieler unterwegs?
Barth: Nein, nicht mehr. Da habe ich gesagt, mit 37 ist Schluss. Aber ich bin jetzt im Vereinsvorstand. Es ist ein kleiner Verein, da gibt es für mich jetzt noch mehr zu tun als früher. Früher ist man auf dem Sportplatz herumgerannt und jetzt kümmere ich mich um die Organisation. Aber da sind Freunde, Familie und deshalb mittendrin. Und das ist eben auch das Thema innere Unruhe, da gehört sowas auch dazu.
Budei: Zieht sich das dann auch bis in den Urlaub? Machen Sie eher Aktivurlaub?
Barth: Ja, tatsächlich! Ich bin kein Strandlieger, noch nie gewesen. Wir gehen in die Berge, wandern und Fahrrad fahren. Gerade mit Kindern ist das Ideal! Wir waren in einem tollen Hotel jetzt im Sommer, direkt am Brenner mit Aktiv-Kinderbetreuung. Da kann man Fahrradfahren, da ist ein Spaßbad mit Rutschen dabei – wirklich toll! Und abends sind alle müde und fallen kaputt ins Bett. Das ist für mich Entspannung.
Budei: Gibt es irgendein Land – oder Gebirge in Ihrem Fall – dass Sie unbedingt noch sehen möchten?
Barth: Ich wollte lange Zeit in den Himalaya. Aber den Mount Everest traue ich mir nicht zu, da bin ich auch nicht dafür geschaffen. Vor kurzem habe ich eine Dokumentation über die Region gesehen, wie überlaufen es dort ist und wie alles touristisch platt gemacht wird. Deshalb habe ich mich dagegen entschieden. Was ich gerne mal machen möchte – und was auch wirklich auf meiner To Do Liste für 2019 steht – ist ein Alpen-Cross mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Das wäre das nächste Ziel.
Budei: Mit den Kindern?!
Barth: Nee (lacht), das würde dann echt lange dauern. Mit Freunden.
Budei: Ziemlich aktiv! Da wünsche ich viel Glück! Gibt es eine berühmte Persönlichkeit, die Sie toll finden? Historisch oder zeitgenössisch, mit der Sie gerne mal geplauscht hätten?
Barth: Ich habe in Australien mit einem älteren Professor gesprochen, der Albert Einstein persönlich getroffen hat. Und allein die Geschichte von ihm zu hören, war schon ehrfurchtseinflößend. Ich hätte ihn tatsächlich gerne einmal persönlich getroffen, weil derjenige mir erzählt hat, dass Einstein ein sehr netter Mensch war. Und dieses unglaubliche Genie gepaart mit einer Umgänglichkeit, das finde ich schön.
Budei: Also ganz deutlich: Einstein.
Barth: Ja, klingt platt oder?
Budei: Nein, ich meine, das ist das erste Mal, dass ihn jemand nennt. Das wundert mich selbst. Eben hatten wir es von Ihren Kindern. Haben die beiden denn schon Träume, was sie später mal werden wollen? Wie Einstein vielleicht?
Barth: Romy ist fünf und Marlon ist drei. Marlon will Traktorfahrer werden.
Budei: Ein klassischer Berufswunsch mit drei!
Barth: Wir leben auf dem Dorf, direkt am West Weg und die Traktoren und Langholzlaster fahren bei uns täglich am Haus vorbei und da hat er beschlossen, das will er werden. Bei Romy wechselt es recht häufig. Wir sind gerade in der Barbie-Puppen-Mami-Phase… Mal schauen wohin uns das führt.
Budei: Das hört sich irgendwie nach Human Resources an…
Barth: Meine Schwester hat Human Resources studiert! Vielleicht passt es ja (lacht).
Budei: Was ist denn Ihr frühster Berufswunsch, an den Sie sich erinnern können?
Barth: Ich bin in einem Handwerker-Haushalt aufgewachsen und wollte das auch immer machen. Ich habe ihn den Ferien immer mitgearbeitet und war viel auf Baustellen unterwegs. Als ich dann auf dem technischen Gymnasium mit Maschinenbau und Elektrotechnik auf akademischem Niveau in Berührung kam, hat sich der Berufswunsch verändert und ich bin zu dem geworden, der heute vor Ihnen sitzt. Aber eine lange Zeit wollte ich Handwerker werden, also Elektroinstallateur. Heute würde man wohl Gebäudeautomatisierung sagen.
Budei: Das ist ja gar nicht so weit weg von dem, was Sie heute machen!
Barth: Nein, wir forschen sogar mit einigen Betrieben zusammen, die damals ausgebildet haben. Jetzt sitze ich nur auf der anderen Seite des Schreibtisches. Das ist genauso spannend, nur ohne auf Baustellen herumzurennen und den Hammer zu schwingen.
Budei: Während Ihres Studiums gab es dann sicher viel, was Sie von Ihren Professoren mitgenommen haben. Es gab aber sicher auch Dinge, die Sie sich gewünscht hätten, die es nicht gab. Was genau war das?
Barth: Ich darf sagen, dass ich sehr gute Professoren hatte. Ich kam mit allen ganz gut klar. Ich hätte mir manchmal von externen Dozenten mehr Vorbereitung gewünscht. Sie kommen an die Hochschule, haben zuvor den ganzen Tag im Unternehmen gearbeitet und die Lehre ist eher ein Hobby. Dementsprechend war es manchmal unstrukturierter - also eigentlich das, was man immer den Professoren zuschreibt (lacht). Das habe ich aus dem Studium mitgenommen. Und deshalb versuche ich heute auch einigermaßen strukturiert zu sein, auf den Punkt zu kommen und den Leuten das mitzugeben, was wichtig ist.
Budei: Das hat meine nächste Frage auch schon beantwortet: Inwiefern Sie daraus gelernt haben und was sie deshalb jetzt in Ihre Lehre einbringen.
Barth: Das Master-Thema beschäftigt mich. Wir müssen uns immer wieder sagen, dass unsere Master-Studierenden, die da vor uns sitzen, fertige Ingenieurinnen und Ingenieure sind und so muss man sie auch behandeln. Natürlich sind es formal Studierende, aber das sind erwachsene Leute, die mitten im Leben, zum Teil auch mitten im Berufsleben, stehen. Man muss Respekt haben vor dem, was sie da leisten und dementsprechend muss man da auch noch strukturierter sein.
Budei: Klar, sie sind älter, haben mehr Lebens- und Berufserfahrung…
Barth: Ja und man muss auch eben immer die Geschichte dahinter sehen! Wir haben Leute da sitzen, die haben Kinder zu Hause, der Ehepartner oder die -partnerin ist berufstätig. Die gehen nach der Vorlesung nicht Party machen, sondern in die Kita und holen die Kinder ab. Deshalb versuche ich auch immer die Geschichte dahinter zu sehen, denn dann kann man – auch neben dem Studium und der Beratung – auch viel mehr machen, Klippen umschiffen zum Beispiel. Das macht man dann gerne. Pflege ist zum Beispiel auch gerade ein großes Thema. Viele pflegen zu Hause Eltern oder Großeltern, haben kleine Kinder und studieren hier. Das ist schon bemerkenswert.
Budei: Das ist sehr reflektiert.
Barth: Das müssen wir sein.
Budei: Naja, während meines Studiums war das noch etwas anders. Leistung war zu erbringen, deshalb war man da. Deshalb erscheint mir ihre Sichtweise als Wandel in der Lehre.
Barth: Ja, Wandel ist passend. Aber genau dafür werden wir in den Evaluationen auch gelobt. Dafür, dass Mitarbeiter und Professoren hier in Pforzheim ein gutes Betreuungsverhältnis zu den Studierenden haben. Das bekommen wir jetzt gerade auch mit: Wir haben sehr viele Leute, die für den Master von anderen Hochschulen kommen und von denen hören wir jetzt nach einer Woche schon Sätze wie „Mit Ihnen kann man ja reden“ oder „Bei Ihnen sind ja die Türen offen und Sie trinken ja auch mal einen Kaffee“. Das wird – noch vor allem anderen – gelobt und das empfinde ich als Prädikat, das sollte man beibehalten.
Budei: Ein schöner Ansatz. Was möchten Sie denn Ihren Studierenden fürs Leben mitgeben?
Barth: Eine gute Ausbildung (lacht). Der Berufswunsch ist meiner Meinung nach sehr, sehr wichtig. Mit dem ersten Beruf legt man sich natürlich nicht sein Leben lang fest, aber man muss schon zusehen, dass das, was man da macht, Freude macht. Es nimmt so viel vom Leben ein und wenn man sich nicht jeden Morgen ins Büro quälen muss – was ich niemandem wünsche – hat man schon mal vieles richtig gemacht. Manchmal erlebe ich im Bachelor Leute, die sind im sechsten Semester, in der Studien-Endphase und dann kommt die Frage: „Was machst Du jetzt“ und die Antwort ist „Ich suche noch eine Thesis“. Aber die Suche nach der Thesis ist ja gleichzeitig auch die Suche nach einem Berufsfeld und da wird für meinen Begriff noch zu wenig reflektiert gesucht. Was will ich und wo bin ich und wo geh ich hin. Und das versuchen wir so mitzugeben.
Professor Dr. Mike Barth lehrt im Weiterbildungsprogramm Innovationsmanagement das Modul "Automation & Cyber Physical Systems" und weiß, dass Studierende nicht nur für ihn ihr Dasein opfern.