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Utopien der Ernährung

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Design-Projekt der Hochschule Pforzheim für das Museum Brot und Kunst Ulm

Kleine Momente ganz groß: Illustrationen von Berna Arat. Foto: Harald Koch

Hunger, Lebensmittelverschwendung, Überbevölkerung – düstere Schlagworte fallen bei dem Gedanken an die Zukunft des Essens. Neue Perspektiven zu diesem Thema gibt das Museum Brot und Kunst in Ulm, das nach umfassender Renovierung und Neukonzeption im Mai 2019 wiedereröffnet wird. Für den Ausstellungsbereich „Food-Topia. Essen in der Zukunft“ haben Studierende der Visuellen Kommunikation der Hochschule Pforzheim ihren Visionen eine Gestalt gegeben. Die Arbeiten über Ängste und Sehnsüchte werden in die neue Ausstellung einfließen.

Wie wollen wir in Zukunft leben? Was werden wir essen? Diese Fragen stellt das Ulmer Museum Brot und Kunst. Es widmet sich den verschiedenen Aspekten und der Bedeutung von Brot, Nahrung und der Auseinandersetzung in der Kunst. Ein Teilbereich der neu konzipierten Dauerausstellung wird das Thema „Food-Topia, Essen in der Zukunft“ behandeln. Um Utopien geht es in dem Feld – wie gemacht für die angehenden Pforzheimer Kommunikationsdesigner. Sie entwickelten ein Gestaltungskonzept für einen Katalog, einem sogenannten „Magalog“, einer Mischung aus Magazin und Ausstellungskatalog.

Für die neue Ausstellung führte Dr. Isabel Greschat, Leiterin des Museums, drei mögliche „Weltmodelle“ zusammen, die sich in der Ausstellung und dem dazugehörigen Katalog finden werden. Die Möglichkeit einer Expansion ins All folgt der Logik von Expansion und Wachstum, die das Leben und Wirtschaften seit dem 18. Jahrhundert bestimmen. Umzudenken ist eine weitere Möglichkeit: Das Erschaffen von neuen Dörfern, Urban Gardening oder die Idee der „halben Welt“, die Trennung von Mensch und Tier. Die dritte Möglichkeit liegt in nachhaltigen Technologien: Welche Mikrolösungen können dazu beitragen, umweltschädliche Folgen zu minimieren?

Elf Magazine sind im Semesterprojekt bei Alice Chi, Professorin im Studiengang Visuelle Kommunikation, entstanden, drei davon wurden von einer Jury ausgezeichnet. In seinem Magazin „Footopia“ stellt Lukas Springer den ökonomischen Ansatz von Ernährung in den Vordergrund und nimmt Bezug auf die Videoarbeit „Die Jagd“ von Christian Jankowski: Einkaufen im Supermarkt gleicht dem Jagen und Sammeln von Dingen. „Die Gestaltung ist eine ironische Annäherung an die Kunst, denn auch ein Museum sammelt“, sagt Lukas Springer über die Zusammenführung der beiden Themen. Eine Hilfestellung gegen Lebensmittelverschwendung geben die herausnehmbaren Tipps im Kassenzettel-Format: Gezieltes Einkaufen und kluge Lagerung helfen, damit weniger Lebensmittel im Müll landen. Mit „Die Mahl Zeit“ schuf Mahsad Durandish ein klassisches Medium, eine Zeitung. Wie in einem Menü teilt sie die Inhalte in Aperitif, Vorspeise, Hauptgang und Dessert ein. Die Beilagen sind ein extra Heft und herausnehmbar. „Meine Zeitung ist ein Extrablatt, ein Medium, das wichtige Informationen enthält und in Folge erscheinen soll.“ Einen spielerischen Umgang wählte Christina Spieß. Sie hat die Inhalte des Ausstellungskatalogs in eine Brotdose gepackt. „Die Brotbox“ enthält Karten mit den Inhalten zur Ausstellung und ein Memory.

Professorin Alice Chi, Dr. Isabel Greschat, Sophie Schmid und Professor Michael Throm, Dekan der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim, begutachten die Entwürfe (v.l.n.r.). Foto: Harald Koch

Eingeflossen in die Magazine sind neben den vom Museum festgelegten Inhalten Zeichnungen aus dem Kurs bei der Illustratorin Sophie Schmid. Völlig frei konnten die Studierenden ihre Visionen auf’s Papier bringen. Berna Arats Werke fokussieren die kleinen Momente der großen neuen „Weltmodelle“. Für die Lebensform „Halbe Erde“, in der Menschen und Tiere getrennt leben, um Ressourcen zu schonen, fing sie den Moment des Abschieds ein. „Ich habe in den vorgegebenen Themenfeldern die emotionalen Momente gesucht und umgesetzt. Wenn wir uns mit der Zukunft unserer Welt auseinandersetzen, stoßen wir schnell auf eine Untergangsstimmung. Meine Collagen sind bunt und berühren – und machen den Betrachter aufmerksam auf die kleinen Dinge im großen Ganzen“, sagt die Studentin.

Alle Entwürfe geben aller Unkenrufe zum Trotz einen positiven Ausblick. „Unsere Studierenden sind kritische Konsumenten“, sagt Alice Chi. „Mit diesem Projekt ging es nicht alleine um Editorial Design, also um das Entwickeln einer Publikation, sondern auch darum, eine politische Aussage zu machen und sein persönliches Statement zu Essen und Konsum abzugeben.“ Die Fridays for Future-Demonstrationen zeigen, dass Kindern und Jugendlichen das Thema Klimawandel unter den Nägeln brennt. Wie wir mit unserer Erde umgehen, wirkt sich auch auf unsere Ernährung aus. Isabel Greschat möchte mit dem Kooperationsprojekt ihre Inhalte einer jungen Zielgruppe zugänglich machen. „Ich finde es wichtig, zu diesem Thema eine junge Generation einzubinden. Mir ging es außerdem darum, verschiedene Illustrationsstile zu sammeln und auf die Weise eine Vielstimmigkeit zu zeigen. Wir werden eine Reihe von Bildern in unsere Ausstellung integrieren können. Ich bin froh, dass wir so tolle Ergebnisse haben, denn es ist ja auch ein Wagnis, wenn man die entstehenden Bilder gern verwenden möchte.“

Der Teil der Ausstellung über die Zukunft des Essens denkt die Themen Wachstum und Ressourcen spielerisch weiter und soll zu Gesprächen und zum Mitdenken im positiven Sinne animieren. Es geht nicht darum zu beurteilen und auch nicht darum zu verurteilen. „Forum für Welternährung“ ist der neue Untertitel des Museums – es liefert keine fertigen Antworten. Mit den Illustrationen und Magazinen der Pforzheimer Nachwuchs-Designer eröffnen sich den Ulmer Ausstellungs-Besuchern neuartige visuelle Welten, die Impulse geben für eine eigene Auseinandersetzung.