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Nachklang: Festival des Scheiterns

News

19 Nov 2020

Den Mut, grandios zu scheitern, haben die Wenigsten. Bis heute fällt es vielen schwer, dem Scheitern etwas Positives abzugewinnen. Versuchen wir allerdings, jeden Fehler zu vermeiden, kommen wir nicht voran. Sprechen wir nicht über Fehler, lernt auch niemand daraus. Dieser Tabuisierung des Scheiterns setzte das „Festival des Scheiterns“ am 19. November 2020 ein Ende. Die fünf geladenen Persönlichkeiten hatten nicht nur den Mut, über ihre persönlichen Momente des Scheiterns zu sprechen, sondern zeigten uns auch, warum Misserfolge oft unabdingbar sind, um unser volles Potenzial zu entfalten.

Mit ZuschauerInnen aus Pforzheim und sogar Norwegen verfolgten über 120 Personen den Livestream und die inspirierenden Impulse der SpeakerInnen. Den Anfang machte Julian Bossert, Jazz Saxophonist und Komponist. Mittels improvisierter Einlage veranschaulichte Bossert, wie nah die Musik und das Scheitern beieinander liegen können. Bei jeder Improvisation würden Künstler unmittelbar mit dem Scheitern konfrontiert. Die Schönheit der Musik könne dabei nur entstehen, wenn das Scheitern voll und ganz akzeptiert würde, so Bossert. Nach dem Credo „Bedürfnisse sind wichtiger als Ziele“ berichtete er von seiner Zeit in Berlin und der damit verbundenen „Charakterschule“, die ihn letztendlich seine eigenen Werte finden ließ und unverhofft nach Köln führte, wo er bis heute lebt und arbeitet.

"Ich nehme alle Gelegenheiten wahr, die mir das Leben bietet", so beschreibt sich die zweite Speakerin, Eva Hunger, selbst.  Beim Coaching im Rahmen ihrer Lebenshunger-Akademie geht es Eva Hunger vor allem darum, dass sich ihre Coachees sicher dabei fühlen können, genau so zu sein, wie sind. Im Rahmen ihres Podcasts nimmt sie Menschen an die Hand und versorgt sie mit wertvollen Tipps. Aus der Erfahrung eines ehemaligen Studienprojektes sprach sie über die Relevanz der eigenen Erfolgsdefinition, unabhängig von den Vorstellungen anderer. Jedoch sei es auch völlig okay, ein selbst gestecktes Ziel mal nicht zu erreichen. Häufig seien es nämlich nicht die direkten Wege, die uns wachsen ließen, sondern die Akzeptanz eines wellenförmigen Verlaufs und die ständige Korrektur dessen. 

Gerhard Buurman, Professor für Transformation Design an der HS PF, appelliert für eine differenzierte Betrachtung des Scheiterns. In den Wissenschaften bspw. sei Scheitern auch als eine Vorform des Erfolgs zu verstehen. Denn Dinge gelängen nicht gleich, sie bräuchten Zeit sich zu entwickeln. Im Kontext der Hochschule spreche man eher von einer Experimentalkultur, bei der der Fokus auf gute Ergebnisse gelegt würde, wenngleich das Wort Experiment ein mögliches Scheitern mit einschließen würde. Wichtig sei dabei, nicht mit Angst in neue Erfahrungen zu gehen, sondern sich selbst kennenzulernen, seine Grenzen zu erfahren und öfter mal eine distanzierte Betrachtung einzunehmen, so Buurmann.

Als ehemaliger Geschäftsführer und Beteiligter an zahlreichen Unternehmen gewährte Bernhard Kölmel dem Publikum Einblicke in sein persönliches Scheitern als junger Entrepreneur. Der Professor für Global Process Management berichtete dabei nicht etwa von fehlendem Wissen oder finanziellen Mitteln, sondern viel mehr von zwischenmenschlichen Herausforderungen, die die Arbeit innerhalb der Unternehmung blockieren und schlussendlich zum Exit führen könnten. Jedoch habe ihn seine persönliche „Blaupause des unternehmerischen Scheiterns“ auch dazu motiviert, zu promovieren und seine professionelle Karriere im Kontext der Hochschule fortzuführen, was ihn bis heute voll und ganz erfülle. 

 „Scheitern ist normal, aber auch Ansichtssache“. Mit diesen Worten beginnt die letzte Speakerin des Abends, Sharon Suliman, ihren Impuls. Die Rapperin entdeckte bereits mit 5 Jahren ihre Liebe zur Musik und kann sich bis heute keinen Plan B ohne diese Leidenschaft vorstellen. Beim Scheitern geht es ihr nicht um die Tatsache an sich, sondern vielmehr um die Erfahrung und den Umgang mit den zugehörigen Gefühlen. Dabei richte sie negative Gedanken und aufkommende Selbstzweifel immer neu aus, hin zu positiven Momenten und Dankbarkeit. Es sei ihr wichtig, ihre Pläne durchzuziehen und aus der eigenen Komfortzone herauszukommen. Konzentrierten wir uns auf die Dinge, die nicht funktioniert haben, weürden wir immer Gründe finden, die für ein Scheitern sprechen.  Veränderten wir den Blickwinkel und schauten genauer hin, ergäben sich wieder neue Chancen, so Suliman.

 

Das „Festival des Scheiterns“ zeigte einmal mehr wie sehr es sich lohnt, den Mut aufzubringen, über das Scheitern zu sprechen. Die fünf SpeakerInnen eröffneten Sichtweisen aus unterschiedlichsten Bereichen, die eins gemein hatten: Es lohnt sich, öfter mal die eigene Brille abzulegen und eine neue Perspektive einzunehmen. Denn eigentlich geht es gar nicht um die Fehler an sich. Es geht darum, den eigenen Denkhorizont zu erweitern und zu lernen.


> Wer das Festival verpasst hat, kann sich hier die Aufzeichnung des Abends anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=y2uJ6Y5QG50