Warum Tasteful?
In Deutschland werden jährlich etwa 3 Millionen Tonnen Verpackungsabfälle produziert. Sie fallen nahezu täglich in allen Haushalten an und werden regelmäßig, meist in gelben Säcken oder Tonnen, gesammelt und einer Verwertung zugeführt. Allerdings liegt der Anteil werkstofflich verwerteter Kunststoff-Verpackungsabfälle lediglich bei etwa 50%. Hier besteht Forschungs- und Entwicklungsbedarf:
- Wie lassen sich aus gebrauchten Kunststoff-Verpackungen hochwertige Sekundärrohstoffe herstellen?
- Ist es insbesondere möglich, aus gebrauchten Verpackungen erneut Verpackungen herzustellen?
Im BMBF-Projekt Tasteful wird die Technologie Tracer-Based-Sorting (TBS) für die Identifikation und Sortierung von Kunststoffverpackungen adaptiert und wissenschaftlich untersucht - von der Verpackungsentwicklung über die Detektions- und Sortiertechnik bis hin zur hochwertigen werkstofflichen Verwertung.
Mit der vom Verbundkoordinator Polysecure GmbH entwickelten Technologie können Kunststoffverpackungen nach Anwendung (z.B. Food versus Non-food), Spezifikation (z.B. PP-Homo- versus PP-Block-Copolymer) oder Handelsmarken (Brands) markiert und so bei der Abfallsortierung verlässlich und effizient identifiziert werden. So können durch TBS hochwertige Rezyklate hergestellt und Stoffkreisläufe vollständig geschlossen werden: Kunststoffe aus Lebensmittelverpackungen können nach der Wiederaufbereitung erneut zu Lebensmittelverpackungen verarbeitet werden.
Indem die Kunststoffe aus Kunststoffrezyklat hergestellt werden statt aus neuem Erdöl, könnten so etwa 2 kg Treibhausgasemission pro kg Kunststoffrezyklat eingespart werden. Zudem trägt das hochwertige Recycling durch die gezielte Lenkung von Abfallströmen zur Lösung des globalen „Plastic Litter“-Problems bei.
Identifikation von Kunststoffverpackungen mit TBS
Tracer-Based-Sorting nutzt anorganische Tracer-Substanzen, deren Fluoreszenz bei Anregung mit elektromagnetischer Strahlung aktiviert wird. Die Fluoreszenz kann schnell gemessen und zur eindeutigen Identifizierung eines Artikels oder Werkstoffs genutzt werden. Hierzu reichen bereits Tracer-Mengen im ppm-Bereich. Außerhalb der Sortieranlage ist die Tracer-Substanz für das menschliche Auge nicht sichtbar, da eine spezielle Anregungsquelle benötigt wird, welche die sichtbare Fluoreszenz hervorruft.
Für die Identifikation und Sortierung von Kunststoffverpackungen mit TBS werden Verpackungen mit einem spezifischen Fluoreszenz-Tracer entsprechend ihres bevorzugten (z. B. des wirtschaftlichsten) Verwertungspfads gekennzeichnet. Dies erfolgt in der Regel auf dem im Verwertungsprozess abtrennbaren Etikett, sodass Verschleppungen des Tracers beim werkstofflichen Recycling vermieden werden.
Für Verpackungen wird die Upconversion-Fluoreszenz genutzt. Dabei werden von Polysecure und vom KIT entwickelte anorganische Upconversion-Tracer im Nah-Infrarot (NIR)-Bereich angeregt, worauf sie im sichtbaren Licht (VIS) emittieren. Dies ist eine einzigartige Eigenschaft der TBS-Tracer-Substanzen, die kein anderes natürliches oder synthetisch erzeugtes Material aufweist. Daher ist bei der Detektion im TBS-Verfahren nur das Fluoreszenzsignal der Tracer, jedoch kein Rauschen vorhanden. Von der Verpackung und ihrem sich ständig ändernden Design können im TBS-Prozess keine optischen Signale ausgehen, die sich über die Tracer-Signale legen könnten. Hinzu kommt, dass die Fluoreszenz-Emission der Tracer in alle Richtungen erfolgt (isotrop). Gegenüber anderen auf dem Packmittel angebrachten Kennzeichnungen wie Drucken oder Oberflächenstrukturierungen benötigt das TBS-Verfahren daher keine Ausrichtung der Verpackungen relativ zur Erkennungseinheit. Es ist damit robust gegenüber der Deformation von Verpackungen und für eine schnelle und sichere Identifikation auch unter schwierigen optischen Bedingungen geeignet.
Die physikalische Effizienz übersetzt sich direkt in geringe Tracer-Mengen pro Verpackung, zahlreiche gut differenzierbare Emissionsspektren bzw. Sortiercodes und mündet so in ein robustes, verlässliches Sortierverfahren, das für alle Verpackungen einsetzbar ist.
Die wichtigste Option zum Einsatz der TBS-Tracer bei Verpackungen aus Kunststoff ist die Einbringung über die Druckfarbe.
Die Tracer werden gemäß Sortiercode in heller Druckfarbe dispergiert und dann auf dem Etikett oder direkt auf der Verpackung aufgebracht. Auf der Verpackung reicht die Fläche eines Quadratzentimeters (z.B. die weiße Fläche rund um den EAN-Code) für die Kennzeichnung aus. Die Tracer werden nach der Sortierung mit dem Etikett und der Druckfarbe von der Verpackung abgelöst.
Neben dem Einsatz des Tracers in der Druckfarbe wird die Einbringung der Tracer-Substanz direkt in den Kunststoff untersucht.
Die Tracer sind hochgeglühte anorganische Kristallpartikel, die chemisch sehr inert und weitgehend unlöslich sind. Sie verhalten sich daher vergleichbar mit Mineralien und ermöglichen so eine gute Biokompatibilität. Die Partikelgröße liegt deutlich über 100 nm und ist daher nicht lungengängig. Für eine Materialfamilie besteht bereits eine Zulassung für Trinkwasserkontakt als Additiv in Kunststoffen. Bisherige Laboruntersuchungen ergaben keinerlei Hinweise auf toxikologische Effekte der Tracer.
Ziele
Ziel des Forschungsvorhabens ist eine Steigerung der Effizienz und Praktikabilität der TBS-Sortiertechnologie. Teilziele des Projektes sind die Verbesserung der Anregungstechnologie, die Erweiterung des Tracer- und damit Sortiercode-Portfolios sowie die Integration von Objekterkennungssystemen.
Arbeitspakete
Fluoreszenzanregung und Detektion sind zentrale Bestandteile der TBS-Technologie. Es sollen weitere Optimierungen durchgeführt werden, um insbesondere unter schwierigen Bedingungen (Staub-/Schmutzresistenz) und mit geringen Kosten und Wartungsaufwand zuverlässig, mit einer hohen Wiederholgenauigkeit und einer Vielzahl an differenzierbaren Sortiercodes sortieren zu können. Der Aufbau einer Sortieranlage im Labormaßstab ermöglicht die Überprüfung verschiedener Komponenten auf deren Praxistauglichkeit.
Teilprojektleiter: Polysecure
Die Erzeugung neuer und eindeutig identifizierbarer Sortiercodes aus der Kombination von drei Basismarkern ist von essentieller Bedeutung. Hierzu sollen Marker, die ausschließlich in einem engen Spektralbereich emittieren und somit eine hohe spektrale Farbreinheit der Lumineszenz erzeugen, synthetisiert werden. Die Mischung dieser Marker ermöglicht die Erzeugung neuer Sortiercodes und erweitert damit die Anzahl möglicher Sortierfraktionen.
Teilprojektleiter: Karslruher Institut für Technologie, Institut für Mikrostrukturtechnologie
Um die schnelle Objekterkennung in der Wertstoffsortierung zu ermöglichen, wird die Sensorik von HD Vision Systems beschleunigt und in der Auflösung erhöht. Dies wird sowohl durch die Entwicklung eines neuen Sensormoduls als auch durch die Verbesserung der Software, die für die Bildanalyse und Objekterkennung eingesetzt wird, sichergestellt.
Teilprojektleiter: HD Vision Systems
Die Signaloptimierung ist ein wichtiger Bestandteil für die zuverlässige Detektion und Differenzierung der Marker. Unter der Verwendung von „Genetic Programming“ soll eine optimierte Filterkaskade für die Signal Auswertung erzeugt werden. Zusätzlich werden auf Basis echter Daten weitere künstliche Daten erzeugt, um somit die Vielfalt der Objekte, Verunreinigungen und Markercodes abzubilden, welche mit klassischen Verfahren nur schwer darstellbar sind.
Teilprojektleiter: Fraunhofer Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV
Begleitend zur Technologieentwicklung des Identifikationsansatzes erfolgt die wirtschaftliche und umweltliche Potentialerschließung des Ansatzes. Dies umfasst dabei zwei Zielrichtungen: das Stakeholder-Management und die Bewertung der Technologie sowie deren Übertragbarkeit in den bestehenden Markt der Sortierung von Kunststoffverpackungen.
Teilprojektleiter: Hochschule Pforzheim
Dr. Frank Fuchs
Polysecure GmbH
Maximilian Auer
- Hochschule Pforzheim, Institut für Werkstoffe und Werstofftechnologien (IWWT)
- Polysecure GmbH, Freiburg
- HD Vision Systems GmbH, Heidelberg
- Fraunhofer Institut für Gießerei, Composite und Verarbeitungstechnik (IGCV), Augsburg
- Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Mikrostrukturtechnologie, Karlsruhe
Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Fördermaßnahme „KMU-innovativ: Ressourceneffizienz und Klimaschutz“.
Laufzeit 01. Februar 2021 bis 31. Januar 2023
Förderkennzeichen: 033RK088A