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Das STUDIUM GENERALE

Mit einem Konzert des Südwestdeutschen Kammerorchesters ging unser Studium Generale im Sommersemester 2024 am 19. Juni zu Ende. Wir freuen uns, Sie mit einem Vortrag von Arthur Landwehr am 16. Oktober 2024 wieder begrüßen zu dürfen.

Sie möchten keine Informationen verpassen? Dann nehmen wir Sie gerne in unseren Newsletter auf - eine kurze Mail an studium-generale(at)hs-pforzheim(dot)de genügt!

Mit den besten Grüßen
Ihr STUDIUM GENERALE TEAM
Prof. Dr. Frauke Sander & Prof. Dr. Nadine Walter

Diese Vorträge fanden im Sommersemester  2024 statt:

Klassik im Hörsaal: Besonders stimmungsvoller Abschluss des Studium Generale

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Südwestdeutsches Kammerorchester Pforzheim entführt Besucher*innen „in die Natur“

Foto: Cornelia Kamper

Das Studium Generale hat in einem besonders stimmungsvollen Höhepunkt seinen Abschluss im aktuellen Sommersemester gefunden: Bereits zum dritten Mal verwandelte das Campus Classic Concert das Audimax der Hochschule Pforzheim in einen Konzertsaal. Das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim (SWDKO) entführte die Zuhörer*innen unter dem Motto „In der Natur“ auf eine musikalische Reise und erweckte dabei die malerischen Landschaften Norwegens, die Schweizer Alpen und die idyllische Atmosphäre Südenglands musikalisch zum Leben. Trotz des EM-Spiels der deutschen Nationalmannschaft, das zeitgleich stattfand, war der Walter-Witzenmann-Saal bis auf den letzten Platz gefüllt, wobei das Publikum am Ende des Konzerts gleich doppelten Grund zum Jubeln hatte: neben der musikalischen Darbietung sorgte auch der Sieg der deutschen Mannschaft für begeisterten Applaus im Saal.

 

Unter der lebhaften Moderation von Dirigent Douglas Bostock erlebten die Besucher*innen ein Programm gespickt mit launigen Anekdoten und historischen Fakten. Zu hören waren Werke von Arthur Honegger, Edvard Grieg, Gerald Finzi, Peter Warlock und Benjamin Britten. Der erste Höhepunkt des Abends war Arthur Honeggers "pastorale d’ètè", das mit einer Zeile von Arthur Rimbaud eingeleitet wurde: „Ich habe die Morgenröte des Sommers umschlungen“. „Die Besonderheit des Werkes ist, dass die Besetzung der Bläser aus fünf einzelnen Instrumenten besteht und sie nicht, wie üblich, paarweise spielen“, erklärte Douglas die charakteristische Klangfarbe, die gedanklich in die Schweizer Alpen entführte.
 

Edward Grieg, der wohl bedeutendste Komponist Norwegens, war mit der Natur seines Heimatlandes ebenfalls sehr verbunden. Das Studium Generale Publikum lauschte beseelt dem Solo der Oboe in „Abend im Hochgebirge“, das an einen einsamen Gesang in felsigen Höhen erinnerte. Etwas heiterer wurde es in den beiden folgenden Werken des Komponisten, darunter der „Kuhreigen“ – ein Hirtenlied „mit dem die Kühe zum Melken abgeholt werden“, erzählte der Dirigent eloquent.

 

Als Retter saurer englischer Apfelsorten wurde der englische Komponist Gerald Finzi wiederrum fast bekannter als mit seiner Musik. Er zog in die Grafschaft Wiltshire, um dort rare Apfelsorten zu züchten und die Natur zu genießen. Besonders beeindruckend war für ihn zudem die Landschaft rund um den längsten Fluss Englands, die ihn zum Werk „Severn Rhapsody“ inspiriert hatte. Das SWDKO entführte die Pforzheimer*innen damit zu einer Teatime am Severn. 

 

Peter Warlocks Capriol Suite inspirierte zu Tänzen im Freien und fühlte sich durch die Einteilung in sechs Sätze - von munter bis bedächtig - nicht wie nur ein einzelnes Stück an. Mit Benjamin Brittens Sinfonietta endete schließlich die „musikalische Unterrichtsstunde“ im Hörsaal besonders imposant. „Er war ein Wunderkind wie Mozart oder Schubert und hat dieses Stück als 18-jähriger Student komponiert, das ist wirklich mehr als bemerkenswert, denn es gibt keinen einzigen Fehler, in keinem Takt“, schwärmte der Dirigent des SDWKO. Dass diese Begeisterung auch Jung und Alt teilten, bewies der nicht enden wollende Applaus.

 

Professorin Dr. Frauke Sander lud im Anschluss an das Konzert zu einem Sommerfest auf dem Campus ein und gab einen Ausblick auf den Fahrplan nach der Sommerpause. Das Studium Generale setzt das Programm im Wintersemester am 16. Oktober 2024 mit Arthur Landwehr (ehemaliger USA-Korrespondent der ARD) fort. Dieanstehenden Wahlen in Amerika werden dann zentrales Thema sein. Weitere Informationen zum Programm folgen zeitnah unter: www.studium-generale-pforzheim.de

Dirigent Douglas Bostock führte charmant durch den Abend. Foto: Cornelia Kamper

Karriere wichtiger als Kinder: Studium Generale Vortrag über heimliche Hürden der Gleichstellung

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Doris Hess stellt Ergebnisse der Vermächtnisstudie vor

Doris Hess, renommierte Diplom-Soziologin, teilte besorgniserregende Erkenntnisse über deutsche Familienstrukturen, das Berufsleben und Rollenbilder an der Hochschule Pforzheim. Foto: Cornelia Kamper

„Das Ziel der Vermächtnisstudie ist es Veränderungen von Einstellungen und Meinungen zu messen […] und für die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Kindern ist das aktuelle Ergebnis desaströs.“ Mit diesen klaren Worten startet Diplom-Soziologin Doris Hess in ihren Studium Generale Vortrag an der Hochschule Pforzheim. Er lässt die Besucher*innen schon erahnen, was sie bei der Vorstellung der Ergebnisse im Audimax an diesem Abend erwartet.
 

In der vierten Befragungswelle der Vermächtnisstudie, eines Kooperationsprojektes von infas, WZB und der Zeit Verlagsgruppe, wurden über 4200 Personen im Alter von 23 - 65 Jahren zu den Themenbereichen Familienplanung, Karriere und den damit verbundenen Rollenbildern befragt. Für 76% der Befragten habe die Familie weiterhin den wichtigsten Stellenwert im Leben, so Hess – daher sei dieser Bereich auch als Schwerpunkt auserkoren worden. Die Vermächtnisstudie versteht sich dabei als Seismograf gesellschaftlicher Entwicklungen in allen Lebensbereichen und untersucht dabei jeweils drei Dimensionen: Die eigene Einstellung der Befragten zu einem Thema, die Einschätzung gesellschaftlicher Werte und Normen (welche Rolle sollte dieses Thema in der Gesellschaft spielen) sowie einen Zukunftsausblick (was denke ich, wie es in Zukunft aussehen wird). Die Zukunftseinschätzung zum Thema Kinderplanung, die die Soziologin aus der Vermächtnisstudie 2015 mitgebracht hatte, konnte sie nun bestätigen: Die Wichtigkeit eigene Kinder zu haben, sei weiter gesunken. „Interessanterweise sieht man in den Projektionen: der Wert, den wir 2015 für in 8 Jahren abgefragt haben, der liegt gar nicht so weit weg von dem, was man heute will.“, sagt sie.

 

(Heimliche) Hürden der Gleichstellung

 

Die Studie bestätigt, dass viele traditionelle Rollen- und Denkmuster noch immer stark ausgeprägt sind und die Einstellungen in Bezug auf Elternzeit und Karriere geschlechterabhängig stark variieren. 98% der Frauen gehen für 12-13 Monate in Elternzeit, während nur 44 % der Väter dieses Angebot überhaupt in Anspruch nehmen – und bleiben dann im Durchschnitt auch nur 1,4 Monate zu Hause. „Die Antworten erscheinen ehrlicherweise wie aus der Zeit gefallen“, hält Hess fest und führt fort: Die Hälfte der Befragten sehe eine 12-monatige Elternzeit bei Männern mit negativen Folgen fürs Berufsleben verbunden, bei Frauen hingegen schätzen das nur etwa 30 % so ein. Die Folge: Trotz Fortschritten in der Erwerbstätigkeitsquote von Frauen besteht weiterhin nicht nur ein Pay-, sondern auch ein deutlicher Gender Care Gap. Diese Diskrepanz trat gerade auch während der Pandemie verstärkt ins Bewusstsein der Bevölkerung, da viele Frauen die Doppelbelastung von Beruf und Familienmanagement in besonderem Ausmaß erlebten.

 

Immer mehr jüngere Frauen stehen auch dadurch der Frage nach eigenen Kindern durchaus skeptisch gegenüber. Das, was Gesellschaft und Politik forderten, nämlich Vollzeitmutter und Arbeitnehmerin zu sein, komme als Appell nicht bei ihnen an: „Man kann das als Akt der Selbstbestimmung sehen“, erklärt Doris Hess und weist darauf hin, dass man diese Entwicklungen klar als Aufforderung an die Politik verstehen müsse. Ohne die entsprechenden institutionellen Ressourcen und Unterstützungsmaßnahmen, wie zum Beispiel bezahlbare und ausreichende Kinderbetreuung, würden vor allem einkommensschwache Familien weiter in eine Schräglage kommen.

 

Das Fazit des Abends führt zu besorgten Gesichtern: Für eine echte Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist noch einiges zu tun! Doch ein interessanter Ansatz kommt aus dem Publikum: Vielleicht ist gerade die Emanzipation des Mannes, sprich ein verändertes Rollenbild von Vätern, die Lösung?

Die Professorinnen Dr. Christa Wehner, Frauke Sander und Barbara Burkhardt-Reich (v.l.) haben sich sehr gefreut, dass Doris Hess (2.v.l.) bereits zum zweiten Mal die aktuellen Ergebnisse der Vermächtnisstudie im Studium Generale präsentiert hat. Foto: Cornelia Kamper

Von Zukunftskunst und Herausforderungen: Uwe Schneidewind im Studium Generale

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Multidimensionale Ansätze zur Gestaltung nachhaltiger Städte

Professorin Dr. Frauke Sander (links) und Hochschulrektor Prof. Dr. Ulrich Jautz (rechts) freuen sich über den Vortrag des Wuppertaler Oberbürgermeisters Prof. Dr. Uwe Schneidewind beim Studium Generale. Foto: Cornelia Kamper

Überlegungen zur „Zukunftsstadt“ sind kein Phänomen unserer Zeit – im Verlauf der Geschichte haben Menschen immer wieder Visionen zum Wandel ihrer Umgebung und Lebenswelt entwickelt. So erarbeitet zum Beispiel Erich Kästner in seinem 1932 erschienen Kinderbuch „35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ die Idealvorstellung einer vollautomatisierten Stadt und beschreibt darin bereits Technologien wie autonom fahrende Autos. Aus heutiger Sicht liegt der Fokus der Transformation im Vergleich dazu deutlich weniger auf Technologien, vielmehr rücken Nachhaltigkeitsaspekte immer mehr in den Mittelpunkt. Die Eigenschaften einer solchen nachhaltigen Stadt und Entwicklungsschritte dorthin wurden in den letzten Jahrzehnten in der Wissenschaft immer wieder erforscht und beschrieben. Bleibt die zentrale Frage: Woran hapert es in der Umsetzung? Antworten darauf lieferte Professor Dr. Uwe Schneidewind im Rahmen seines Vortrags im Studium Generale der Hochschule Pforzheim. „Heute geht es um Fragestellungen wie uns in unserem demokratischen, aber eben auch bürokratischen System die Transformation gelingt: wie sieht ein „gerechter“ Wandel aus und wessen Interessen müssen wir hierbei berücksichtigen?“, fasste es Professorin Dr. Frauke Sander zur Begrüßung im gut gefüllten Audimax zusammen.

Als Stadtoberhaupt einer großen Stadt in Nordrhein-Westfalen und als Wissenschaftler bringt Professor Dr. Uwe Schneidewind sowohl die theoretische, wie auch die praktische Sicht auf diese Herausforderungen ein. In seinem Vortrag betont der ehemalige Leiter des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie die Notwendigkeit eines multidimensionalen Ansatzes zur Gestaltung zukünftiger Städte. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Begriff der „Zukunftskunst“ als die passende Möglichkeit Veränderungsprozesse authentisch und aktiv zu gestalten. „Zukunftskunst bedeutet, Veränderungen nicht nur analytisch zu betrachten, sondern sie in den Kategorien der Kunst zu erfassen und zu gestalten. Es geht um die Nutzung von Energien, Kraft und Rhythmus, sowie um die ästhetische Dimension von Veränderungsprozessen“, so der Wuppertaler Oberbürgermeister.

Das Publikum lauschte fasziniert Schneidewinds Ausführungen. Foto: Cornelia Kamper

Schneidewind identifiziert vier zentrale „Werkzeuge“ oder Dimensionen, die Zukunftskünstler*innen nutzen, um Veränderungsprozesse zu gestalten. Die technologische Dimension befasst sich mit der Entwicklung und Implementierung von Lösungen für nachhaltige Städte, wie beispielsweise Solarenergie, Elektromobilität und autonomes Fahren. Shanghai sei ein fortgeschrittenes Beispiel – hier könne man sich schon in großen Arealen in ein vollautonomes Taxi setzen. Eine Frage der Zeit, bis man auch in Deutschland an diesen Punkt komme und als Konsequenz mit nur einem Zehntel des aktuellen Automobilaufkommens z.B. auch die Umweltbelastung durch den Verkehr deutlich reduzieren könne. Die zweite, ökonomische Dimension befasst sich mit der Herausforderung, nachhaltige Innovationen auch wirtschaftlich umzusetzen und die Interessen von Unternehmen und der Volkswirtschaft insgesamt zu berücksichtigen. Hinsichtlich dieser ersten beiden Dimensionen seien wir in Deutschland bereits auf einem guten Weg. Die folgenden zwei Aspekte stellen Transformationsprozesse jedoch vor durchaus große Herausforderungen.

Unter der politisch institutionellen Dimension beleuchtet der Professor die bürokratischen und regulativen Hürden, die der Umsetzung nachhaltiger Konzepte entgegenstünden, sowie die Notwendigkeit, politische Entscheidungsträger*innen für die Transformation zu gewinnen. Viele Regeln machten es Beamt*innen schwer und brächten sie in ein Dilemma, rechtliche Grauzonen auszureizen. Denkmalschutz in Einklang mit Wärmeplanung für die Stadt zu bringen, sei hierfür ein aktuelles Beispiel. „Ich würde gerne zehn Städten die Chance geben für zehn Jahre den Denkmalschutz aussetzen, um Wärmeplanung durchzusetzen“, sagt Schneidewind. Nach dieser Zeit könne man ein Fazit ziehen und sicher beobachten, dass das Misstrauen gegenüber den Gebäudebesitzern eher unangebracht sei. Uwe Schneidewind mahnt außerdem professionelle „Nein-Sager“ an, die Politik nicht als höchste Form des gemeinsamen Tuns verstünden, sondern als Raum, in dem Inhalte als ‚Mittel zum Zweck‘ verstanden und zum Ziel des Machtaufbaus genutzt werden. Die vierte Dimension der Transformation basiert laut Schneidewind auf der kulturellen Dimension, inklusive Werten und Vorstellungen der Bürger*innen. Er warnt vor einem Rückfall in egoistische Denkmuster wie „America First“ und plädiert für eine Rückkehr zu gemeinschaftlichen Werten und einem globalen Verständnis von Solidarität und Nachhaltigkeit. Das Ziel: „Jeder Mensch soll gleiche Chance haben auf ein gutes Leben, auch zukünftig.“

Die Veranstaltung endet dementsprechend mit vielen nachdenklichen Anmerkungen und einem lebhaften Austausch zwischen dem Publikum und Referent – wobei Fragen zur Rolle der Demokratie beim Umsetzen nachhaltiger Konzepte in urbanen Umgebungen sowie zur Rolle der Zivilgesellschaft und politischen Entscheidungsträger*innen diskutiert wurden. Das Fazit des Oberbürgermeisters hallt sicherlich einigen Besucher*innen in den Ohren nach: „Transformation ist wirklich schwieriger, als man es sich in seinen eigenen Büchern vorstellt.“

Schneidewind identifiziert vier zentrale „Werkzeuge“ oder Dimensionen, die Zukunftskünstler*innen nutzen, um Veränderungsprozesse zu gestalten. Die technologische Dimension befasst sich mit der Entwicklung und Implementierung von Lösungen für nachhaltige Städte, wie beispielsweise Solarenergie, Elektromobilität und autonomes Fahren. Shanghai sei ein fortgeschrittenes Beispiel – hier könne man sich schon in großen Arealen in ein vollautonomes Taxi setzen. Eine Frage der Zeit, bis man auch in Deutschland an diesen Punkt komme und als Konsequenz mit nur einem Zehntel des aktuellen Automobilaufkommens z.B. auch die Umweltbelastung durch den Verkehr deutlich reduzieren könne. Die zweite, ökonomische Dimension befasst sich mit der Herausforderung, nachhaltige Innovationen auch wirtschaftlich umzusetzen und die Interessen von Unternehmen und der Volkswirtschaft insgesamt zu berücksichtigen. Hinsichtlich dieser ersten beiden Dimensionen seien wir in Deutschland bereits auf einem guten Weg. Die folgenden zwei Aspekte stellen Transformationsprozesse jedoch vor durchaus große Herausforderungen.

Prof. Dr. Uwe Schneidewind referierte an der Hochschule Pforzheim über Zukunftsvisionen und Herausforderungen in Bezug auf nachhaltige Stadtentwicklung. Foto: Cornelia Kamper

Unter der politisch institutionellen Dimension beleuchtet der Professor die bürokratischen und regulativen Hürden, die der Umsetzung nachhaltiger Konzepte entgegenstünden, sowie die Notwendigkeit, politische Entscheidungsträger*innen für die Transformation zu gewinnen. Viele Regeln machten es Beamt*innen schwer und brächten sie in ein Dilemma, rechtliche Grauzonen auszureizen. Denkmalschutz in Einklang mit Wärmeplanung für die Stadt zu bringen, sei hierfür ein aktuelles Beispiel. „Ich würde gerne zehn Städten die Chance geben für zehn Jahre den Denkmalschutz aussetzen, um Wärmeplanung durchzusetzen“, sagt Schneidewind. Nach dieser Zeit könne man ein Fazit ziehen und sicher beobachten, dass das Misstrauen gegenüber den Gebäudebesitzern eher unangebracht sei. Uwe Schneidewind mahnt außerdem professionelle „Nein-Sager“ an, die Politik nicht als höchste Form des gemeinsamen Tuns verstünden, sondern als Raum, in dem Inhalte als ‚Mittel zum Zweck‘ verstanden und zum Ziel des Machtaufbaus genutzt werden. Die vierte Dimension der Transformation basiert laut Schneidewind auf der kulturellen Dimension, inklusive Werten und Vorstellungen der Bürger*innen. Er warnt vor einem Rückfall in egoistische Denkmuster wie „America First“ und plädiert für eine Rückkehr zu gemeinschaftlichen Werten und einem globalen Verständnis von Solidarität und Nachhaltigkeit. Das Ziel: „Jeder Mensch soll gleiche Chance haben auf ein gutes Leben, auch zukünftig.“

Die Veranstaltung endet dementsprechend mit vielen nachdenklichen Anmerkungen und einem lebhaften Austausch zwischen dem Publikum und Referent – wobei Fragen zur Rolle der Demokratie beim Umsetzen nachhaltiger Konzepte in urbanen Umgebungen sowie zur Rolle der Zivilgesellschaft und politischen Entscheidungsträger*innen diskutiert wurden. Das Fazit des Oberbürgermeisters hallt sicherlich einigen Besucher*innen in den Ohren nach: „Transformation ist wirklich schwieriger, als man es sich in seinen eigenen Büchern vorstellt.“

Den Vernunftbegabten zuhören

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Professor Dr. Julian Nida-Rümelin sorgt sich im Studium Generale um die Demokratie

Julian Nida-Rümelin eröffnete das Studium Generale im Sommersemester 2024 mit seinem Vortrag zum Thema „Cancel Culture“. Foto: Axel Grehl

Julian Nida-Rümelin präsentiert sich dem Publikum im Audimax der Hochschule Pforzheim als facettenreicher Feingeist. Er spricht als Philosoph, als politischer Redner und nicht zuletzt als Mensch und hinterlässt im vollen Saal bleibenden Eindruck. Wieder einmal hat das Studium Generale ein fettes Ausrufezeichen gesetzt. Wieder einmal haben die wissenschaftlichen Leiterinnen Gespür für drängende Fragen unserer Zeit – Antworten und Erläuterungen hat Nida-Rümelin im Gepäck. Denn der Titel seines Vortrags, „Cancel Culture – Ende der Aufklärung?“, gleichermaßen der Titel seines neuesten Buchs, beschreibt ein vieldiskutiertes Phänomen und ist zugleich herausfordernd in Bezug auf das Aushalten unterschiedlicher Meinungen. Genau das, so Nida-Rümelin, zeichne die demokratische Gesellschaft aus: diverse unterschiedliche Meinungen zuzulassen, ohne auszugrenzen. Er versteht seinen Ansatz als Plädoyer für eigenständiges Denken.
 

Nida-Rümelin weiß, wovon er spricht. Als Philosoph, vielbeachteter Autor, Professor und ehemaliger Kultur-Staatsminister, war sein ganzes Leben von Diskursen geprägt. Da, wo Diskurs nicht zugelassen werde, weil einzelne Meinungen nicht zugelassen würden, könne man das Phänomen der „Cancel Culture“ beobachten. Ein Reizwort für viele: Die einen praktizierten sie, wiesen aber jede Beschränkung anderer Meinungen dadurch zurück, da Zensur etwas sei, das nur Staaten anwenden würden. Die anderen, oftmals Konservative, kritisieren „Cancel Culture“ als eine Art „Sprachpolizei des linken Mainstreams“, so der Autor.

 

Er selbst, Mitglied des Deutschen Ethikrats, setzt auf die Werte des Humanismus, um Demokratie zu erhalten, denn genau das liege ihm am Herzen. Dazu gehört, dass man mit fast jedem rede. „Nur mit Neofaschisten diskutiere ich nicht“, betont er „denn hier sind die grundlegenden Gemeinsamkeiten, die im Grundgesetz verankert sind, nicht mehr gegeben“. Ansonsten ist die Offenheit, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, der Schlüssel zum Erhalt unserer Gesellschaftsform. „Die Demokratie als Staatsform ist weltweit in einer Krise. Das bereitet mir große Sorge“, sagt Nida-Rümelin. Trotzdem glaubt er an die politische Urteilskraft der Bürger*innen – und deshalb müsse man keine Meinungen vor diesen fernhalten.
 

Die Verteidigung von Humanismus und Aufklärung gegen Intoleranz und das Unterdrücken anderer Meinungen sieht er als persönliche Aufgabe. Auch dass er den Menschen offensichtlich für ausreichend vernunftbegabt hält, um die Brandmauer gegen Rechtsextremismus aufrechtzuerhalten, die er noch intakt sieht, macht sein Vortrag deutlich. Sein Lohn: sehr langer und lauter Beifall vonseiten des Publikums. Die zahlreichen Fragen im Anschluss zeigen, dass das Thema die Gemüter erregt und bisweilen spaltet. Zum friedlichen Ende gehört, ganz gemäß Nida-Rümelins Ansatz, dass sich alle ausreden lassen und zuhören an diesem Abend.

Der renommierte Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin wurde von den Professorinnen Dr. Frauke Sander und Dr. Christa Wehner sowie dem Hochschulrektor Professor Dr. Ulrich Jautz herzlich begrüßt. Foto: Axel Grehl

Aufzeichnungen:

Historie des STUDIUM GENERALE

Seit 1985 lädt die Hochschule Pforzheim Studierende, Professoren, Mitarbeiter und interessierte Gäste aus der Stadt und der Region zu einem anspruchsvollen STUDIUM GENERALE-Programm ein. Die Referenten sind renommierte Wissenschaftler, Unternehmer, Politiker, Künstler und Menschen, die Außergewöhnliches geleistet haben. Hunderte von interessierten Zuhörern nutzen immer wieder die Chance zur Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Themenfeldern, um ihren Horizont zu erweitern, Neues, Anregendes, manchmal auch Irritierendes zu erfahren und interessante Persönlichkeiten aus der Nähe zu erleben. Seit Oktober 2020 können alle Vorträge im Live-Stream über den YouTube-Kanal des STUDIUM GENERALE auch bequem von zu Hause aus oder von überall verfolgt und die Aufzeichnung noch etwa vier Wochen lang angeschaut werden. Sie alle sind herzlich eingeladen zum STUDIUM GENERALE an Ihrer Hochschule!

Die wissenschaftlichen Leiterinnen sind die Professorinnen Dr. Frauke Sander und Dr. Nadine Walter.

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Kontakt zum Studium Generale-Team

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