Motivation
Die europäische Kunststoffstrategie sieht vor, den Einsatz von Kunststoff-Rezyklat bis 2025 auf 10 Millionen (Mio.) Tonnen (t) zu erhöhen, was einer Verdoppelung des Kunststoff-Rezyklateinsatzes im Vergleich zum Jahr 2020 entspricht. Von dem eingesammelten Kunststoffabfall werden in Europa lediglich 34% an Recycler geliefert. Insgesamt werden nur 9% der in Verkehr gebrachten Kunststoffprodukte als Rezyklat in neuen Produkten eingesetzt. Die erheblichen Differenzen zwischen erfassten, sortierten und tatsächlich rezyklierten Massen von Kunststoffabfällen weisen auf die Notwendigkeit von effizienteren Sortiertechnologien hin. Die Sortenreinheit der Abfallfraktionen ist dabei von zentraler Relevanz zur Herstellung qualitativ hochwertiger Rezyklate. Dieses konkrete Problem soll das Vorhaben durch eine neue innovative Sortiertechnik lösen, die wesentlich mehr Kunststoffabfall (z.B. Food-Verpackungen, PET-Trays, Multi-Materialien, technische Kunststoffe) korrekt erkennen und präzise in zahlreiche Fraktionen ablegen kann. Dabei überwinden die drei Innovationsebenen der neuen Sortiertechnik (Einzelstreckensortierung, integrale Detektionseinheit, Tracer-Based-Sorting) die verfahrensbedingten Defizite des bisher etablierten NIR-Band-Sortierverfahrens, bei dem stufenweise nur eine Fraktion i.d.R. lediglich nach Hauptpolymerart detektiert und teils nur unpräzise ausgeblasen wird. Zudem gilt die Einzelstreckensortierung als wirtschaftlich effizienter, wenn für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zahlreiche Fraktionen sortiert werden müssen.
Projektziele
Das Forschungsprojekt präziSort ist eine Kooperation der Hochschule Pforzheim (HSPF), der Polysecure GmbH (Polysecure) und der Umwelttechnik BW GmbH (UTBW). Das Ziel des Projektes ist die wesentliche Steigerung der Recyclingquote durch das neue Verfahren SORT4CIRCLE. Dieses beschreibt eine Sortierlösung, welche mehrere Technologien einsetzt, wodurch Objekte präzise sortiert werden können. In dem neuen einstufigen Sortierverfahren werden die Objekte erst vereinzelt, dann verlässlich identifiziert und in einem einzigen Schritt in entsprechend sortenreine Fraktionen abgelegt. Dabei wird das von Polysecure patentierte Tracer-Based-Sorting Verfahren weiterentwickelt und innerhalb der industriell umsetzbaren Sortierlinie validiert. Die geplante Pilotanlage gilt als zentrale Maßnahme, um Brands, Entsorgern und anderen Stakeholdern aus der ganzen Welt Sortierversuche mit ihren Produkten anzubieten und sie auf Basis konkreter technischer und wirtschaftlicher Ergebnisse zu überzeugen. Somit stellt die Pilotanlage die Grundlage der industriepolitisch gewünschten, weltweiten Vermarktung. Durch das präzise und spezifische Vorsortieren kann der CO2-effiziente Weg des mechanischen Recyclings ausgebaut werden. Daneben profitieren auch lösemittelbasierte und chemische Recyclingverfahren von gut sortierten Input-Strömen.
Die Hochschule bewertet die Pilotanlage und das damit verbundene Sortierverfahren SORT4CIRCLE entwicklungsbegleitend ökologisch und leitet daraus Schlussfolgerungen für eine klimaminimale Verpackungsabfallwirtschaft ab. Als Basis der Bewertungen dient eine detaillierte Analyse der Leichtverpackungs-Abfallströme durch eine Sortierstudie mit anschließender Tiefencharakterisierung. Diese Ergebnisse werden auch genutzt, um die Anlagenlösung exakt auf aktuelle Input-Ströme abzustimmen.
Projektvorhaben
Das Vorhaben wird getragen von Polysecure und dem Institut für Industrial Ecology (INEC) der Hochschule Pforzheim. Während Polysecure die Entwicklung, Konstruktion sowie den Bau und Betrieb der Pilotsortieranlage übernimmt, führt die HS PF relevante Forschungsarbeiten zur Analyse des Stoffstrom- und Marktumfeldes sowie der Umweltauswirkungen des Anlageneinsatzes durch. Dabei bestehen wichtige Synergien zwischen den Arbeiten beider Partner, sodass in die Anlagenentwicklung die Erkenntnisse zu Stoffströmen, Ökologie und Märkten aus den Forschungsergebnissen integriert werden. Darüber hinaus unterstützt die UTBW als Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz Baden-Württemberg das Vorhaben als assoziierter Partner. Das Vorhaben umfasst insgesamt zehn Arbeitspakete, die gemeinschaftlich und unter der Leitung jeweils eines Vorhabenspartners bearbeitet werden. Die Leitung des Gesamtvorhabens liegt bei der Hochschule Pforzheim.
Die Pilotanlage wird für die Sortierung von Post-Industrial- und Post-Consumer-Kunststoffen konzipiert. Post-Industrial-Kunststoffe entstehen aus Produktionsabfällen, die direkt in der Industrie anfallen, während Post-Consumer-Kunststoffe aus gebrauchten und entsorgten Produkten des Endverbrauchers entstehen. Polysecure übernimmt die Entwicklung, Konstruktion sowie den Bau und Betrieb der Pilotsortieranlage. Die Hochschule Pforzheim führt Forschungsarbeiten zur Unterstützung zur Anlagenentwicklung durch.
Dabei liegen die folgenden Forschungsziele im Fokus:
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Bereitstellung von wirtschaftlichen, technischen und ökologischen Werkstoff-, Planungs- und Marktdaten für die Kreislaufführung von Kunststoff-Leichtverpackungen und
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Optimierung und Bewertung der Pilotsortieranlage über Sortierversuche, Integration von Stakeholdern und deren Anforderungen unter Berücksichtigung von Werkstoff-, Planungs- und Marktdaten.
Konkret wird eine umfangreiche Erfassungs- und Sortierstudie (zur Studie) zu Qualität und Quantität des Anfalls von Leichtverpackungen aus Privathaushalten konzipiert und durchgeführt. Hierfür wurden mehrere Hundert Haushalte in ganz Deutschland gebeten ihren Leichtverpackungsabfall in einem gesonderten „Wissenschaftssack“ zu sammeln, sodass die Hochschule Pforzheim diesen tiefencharakterisieren kann. Hieraus werden wichtige Erkenntnisse über die Menge und Eigenschaften der Abfallströme gewonnen.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Erfassung umweltrelevanter Prozessdaten sowie die Anfertigung einer entwicklungsbegleitenden Ökobilanz für das Verfahren. Diese soll die Klimawirkung des Sortieransatzes quantifizieren und diesen mit dem Status-Quo sowie alternativen Recyclingverfahren, wie dem chemischen Recycling vergleichen.
Zusätzlich werden in Form von Stakeholder-Interviews, Marktanalysen und Stoffstromcharakterisierungen kreislaufwirtschaftlich relevante Anforderungen der Aufbereitung sowie Einsatzpotenziale neuer kreislaufwirtschaftlicher Technologien erschlossen.
Hochschulseitige Projektkoordinatoren
Prof. Dr.-Ing. Jörg Woidasky
Prof. Dr.-Ing. Claus Lang-Koetz
Das Projekt arbeitet in enger Kooperation mit der Polysecure GmbH. Mit ihrer einmaligen Technologieplattform aus Markermaterialien und Detektionsverfahren können Materialien und Produkte unsichtbar markiert, praktikabel authentifiziert und fälschungssicher verfolgt werden. Zusätzlich haben sie die Sortiertechnologien Tracer-Based-Sorting (TBS) und SORT4CIRCLE® entwickelt, mit der viele Material- und Abfallströme effizient und verlässlich in alle gewünschten Fraktionen sortiert werden können.
Das Institut für Industrial Ecology (INEC) ist ein Forschungsinstitut der Hochschule Pforzheim, das seit 2010 besteht. Das interdisziplinäre Team am INEC befasst sich schwerpunktmäßig mit der Analyse von Energie- und Materialflüssen zwischen Technosphäre und Ökosphäre. Das Ziel ist die effiziente Verwendung knapper Ressourcen durch die ökologische und ökonomische Optimierung von Produktlebenswegen und betrieblichen Produktionsabläufen.
Die Umwelttechnik BW (UTBW) unterstützt als Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz Baden-Württemberg das Vorhaben als assoziierter Partner v.a. im Kontext der Entwicklung von Markteintrittsstrategien, der Einbindung relevanter Stakeholder sowie im Themenfeld der Internationalisierung.
Das Projekt wird gefördert vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg im Rahmen des Programmes Invest BW zur Förderung von Innovations- und Technologievorhaben.
Laufzeit 01. Oktober 2023 bis 30. September 2025
Förderkennzeichen: BW1_2087/02